16.10.–08.12.2002
Ausstellung | Großer Saal und Ausstellungskabinett
Kunstgespräch 6. Dezember, 18 Uhr
mit den Kuratorinnen der Ausstellung,
Hildegund Amanshauser und Hedwig Saxenhuber
Die Ausstellung ging der Frage nach, wie Künstlerinnen und Künstler heute Geschichte erforschen, wie sie Geschichte darstellen und interpretieren und damit zur Konstruktion einer Vorstellung von Gegenwart beitragen. 20 KünstlerInnen, die in elf Nationen von Nordirland bis Armenien, von Kroatien bis Litauen leben, warfen einen Blick auf die Geschichte Europas der letzten 50 Jahre. Zwei prägende Ereignisse dominierten diese Epoche, zum einen die Zeit des Nationalsozialismus und Faschismus und deren Folgen und zum anderen das Ende des sog. realen Sozialismus, der Fall der Mauern zwischen Ost und West und die damit verbundenen gesellschaftlichen Wandlungsprozesse. Die Ausstellung umfasste Videoarbeiten, Skulpturen, Gemälde, Fotos, Zeichnungen und eine Installation mit Diaprojektion, Wandmalerei und Soundinstallation. Die Exponate beschäftigten sich mit unterschiedlichen Themenkreisen, dem Holocaust und seinen Folgen wie Emigration, Rechtsradikalismus und Rassismus (Ines Doujak, Sanja Ivekovic, Klub Zwei, Aura Rosenberg, Arturas Raila, Hito Steyerl) oder der Veränderung von Arbeitsverhältnissen, bzw. dem Verwinden bestimmter Berufsgruppen (Karen Andreassian, Gintaras Makarevicius, Phil Collins, Gitte Villesen). Die KünstlerInnen erforschten exemplarisch anhand der Geschichte der eigenen Familie historische Entwicklungen in Europa (Sanja Ivekovic, Anri Sala, Milica Tomic), Widerstand und Anpassung an verschiedene politische Systeme. Die Definition von Identitäten durch Geschichtskonstruktionen war ein weiterer Schwerpunkt: Harun Farocki analysierte beispielsweise in seinem Video Die führende Rolle, 1994, wie die führende Rolle der Arbeiterklasse in der DDR nach dem Mauerfall verloren geht, wie Orte der Distribution (Geschäftsviertel) die Orte der Produktion (Fabriken) in den Medien ablösen. Dierk Schmidt beschäftigte sich in seiner Wandarbeit Berliner Schlossgeister mit der Schlossdebatte in Berlin. Dabei ging es nicht nur um die Frage des Wiederaufbaus des alten Schlosses im Herzen der neuen Hauptstadt, sondern ebenso um die kritische Auseinandersetzung mit der Festschreibung der Behauptung einer Kontinuität Preußens im heutigen Deutschland. Mit dem Thema Deutschland befassten sich auch ausgehend von persönlichen Fragestellungen Alice Creischer und Aura Rosenberg. Pia Lanzinger schlug den Bogen zur Geschichte Salzburgs. Ihre Installation Ein Stück vom besten Österreich. (Made in USA) zeigte anhand des Phänomens Sound of Music, wie dieser Film Geschichte und Gegenwart von Salzburg konstruiert, als amerikanische Projektion des Traums von Österreich von einer unverbrauchten Alpenlandschaft, Religiosität, Familie und Musik und wie die Tourismusindustrie diese Bilder vermarktet. Zur Eröffnung fanden zwei Performances von Cezary Bodzianowski statt, einmal in seinem Hotel, einmal im Anschluss an die Eröffnungsreden, die sich mit zwei Facetten von Geschichtsschreibung befassten, der Definition von Geschichte als herausragendem Ereignis und dem Phänomen der Veränderung der Geschichte(n) durch ihre kontinuierliche Erzählung.
Die Ausstellungsarchitektur trennte die einzelnen Videopräsentationen durch einen hängenden Filz-Paravent voneinander, dabei blieb der gesamte Raum geöffnet, eine ruhige Rezeption einzelner Filme war zugleich ungehindert möglich. So vielfältig die Medien sind, die die KünstlerInnen verwendeten, und die Geschichte(n), die sie erzählten, so intensiv ist das Bild, das in ihrem Zusammenspiel in der Ausstellung entstand. Die Erzählung von Geschichte(n), und ihre Erforschung, Analyse, Interpretation und Präsentation sind ein wichtiges Thema zeitgenössischer europäischer Kunst. Diese Beschäftigung mit Historie ermöglicht ein besseres Verstehen der eigenen wie der fremden Geschichte und Gegenwart.
Zur Ausstellung erschien eine CD Rom mit Texten zu den einzelnen Arbeiten und Fotografien sowie Texten der beiden Kuratorinnen.
KünstlerInnen: Karen Andreassian, Cezary Bodzianowski, Phil Collins, Alice Creischer, Ines Doujak, Harun Farocki, Sanja Ivekovic, j.u.p. (Ulrike Müller und Patricia Reschenbach), Klub Zwei – Simone Bader und Jo Schmeiser,
Pia Lanzinger, Gintaras Makarevicius,
Arturas Raila, Aura Rosenberg, Anri Sala,
Dierk Schmidt, Hito Steyerl, Milica Tomic,
Gitte Villesen
Ausstellungsarchitektur: one room –
Georg Huber, Karl Meinhart
Kuratorinnen: Hildegund Amanshauser, Hedwig Saxenhuber
Ausstellungsansicht Großer Saal, Karen Andreassian, dent, Video, 2000