02–04
2010
 
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Termine 2010

04.02.–11.04.2010
Ausstellung im Kabinett

Sonia Leimer
No Site to Fall in

Eröffnung: 3. Februar 2010, 19 Uhr

Eröffnungsrednerin: Övül Durmusoglu, Kuratorin und Kritikern

…Die Crew hatte offensichtlich gemischte Gefühle ob der bevorstehenden Abreise. Obwohl sie beim Gedanken an große, fettige Hamburger in Hanksville und einer heißen Dusche in Grand Junction einen kleinen Freudentanz aufführten, wirkten sie doch etwas bedrückt, als sie in den Van einstiegen und dann zur Erde zurückkehrten. (Journalistenbericht, 9 Januar 2010)

In der Ausstellung „No Site to Fall in“ beschäftigte sich Sonia Leimer mit der Simulation von Raumfahrtmissionen auf der Erde. Derzeit gibt es auf der Erde einige wenige „Mars analog sites“, also Orte, die aufgrund ihrer ähnlichen Beschaffenheit mit dem roten Planeten zur Simulation von Raumfahrtmissionen dienen. In der Ausstellung „No Site to Fall in“ trat dieser Ort, der als ein Ort des dazwischen bezeichnet werden konnte, fragmentiert auf und erzeugte ein dichtes Netz an formalen und narrativen Elementen die sich gegenseitig durchdringen.

Das Kabinett wurde von einem architektonischen Fragment, der „Support Structure“ besetzt. Es konnte als Zitat einer Raumfahrtarchitektur gelesen werden, die technische Bedingung dafür, dass Leben auf einem anderen Planeten überhaupt möglich wäre. Das Objekt teilte den Raum in verschiedene Bereiche ein und schaffte sich voneinander unterscheidende räumliche Situationen.

Das Video „Maybe a Diameter of 20 Miles“, zeigte die Landschaft rund um die „Mars Desert Research Station“ in Utah. In diesem marsähnlichen Lebensraum finden geologische und biologische Feldforschungen statt. Verschiedene Crews aus der ganzen Welt kommen hier zusammen, um in der Landschaft Expeditionen zum Mars zu simulieren. Diese Forschungsstation wurde unter anderem von dem bekannten Science Fiction Regisseur James Cameron sowie von einigen Astronauten gegründet. Das Video zeigt Landschaftsaufnahmen von dieser sehr filmischen Umgebung, die unter anderem auch als Hintergrundkulisse für einige Science Fiction-Klassiker gedient hat. Das Videomaterial wurde im Rahmen einer „Mars Desert Research“-Dokumentation für das Fernsehen gedreht, aber für den eigentlichen Beitrag nicht verwendet.

Die Arbeit „2017 (2009)“ besteht aus drei Siebdrucken auf mit Aluminium beschichtetem Kevlar, einem Stoff der für die Raumfahrt zum Mars entwickelt wurde. Von diesem Stoff gibt es derzeit nur eine begrenzte Menge, da er sich erst in der Testphase befindet. Die auf den Stoff gedruckten Bilder sind Aufnahmen des Satelliten „Mariner 4“, der als erster den Mars passierte und mit der installierten Fernsehkamera Bilder der Oberfläche des Mars zur Erde funkte. Aufgrund der technischen Bedingungen erscheinen die Bilder verschlüsselt und abstrakt.

Die Auseinandersetzung mit den Relationen von Inszenierungen und Bildkulturen mit dem manifesten physischen Raum steht im Mittelpunkt der Arbeiten von Sonia Leimer. Architektur wird dabei als Effekt einer medialen Verfasstheit von gegenwärtigen Gesellschaften und ihren Narrativen untersucht. Raum/Zeit und das Image des Raums treten dabei in eine gesteigerte Wechselwirkung. Die künstlerische Intervention formuliert sich bei Sonia Leimer als Re-Inszenierung von Ereignissen, als Fiktionalisierung von Räumen und ihren sozialen und ideologischen Strukturierungen.

Sonia Leimer, geboren 1977 in Meran, lebt und arbeitet in Wien

Eröffnungsrede von Övul Durmusoglu, Kuratorin und Kritikerin in Istanbul und Wien:

„Sollten wir die einzigen im Universum sein, wäre das ziemliche Platzverschwendung“ so lautet eine der Pointen des bekannten Science-Fiction Films „Contact“ (1997), der auf einem Roman gleichen Titels von Carl Sagan basiert. Die Hauptfigur des Films, die Wissenschaftlerin Eleanor Arroway, dargestellt von Jodie Foster, sucht nach hochfrequenten Tönen, die beweisen sollen, dass in anderen Sternensystemen Lebewesen existieren, mit denen kommuniziert werden kann. Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmet sie den höchst empfindlichen Satellitenschüsseln, die in einem Tal in New Mexico eine neben der anderen aufgestellt sind; sie hört und wartet auf den ultimativen Kontakt, der schon seit ihrer Kindheit ihr größter Traum ist.

Sonia Leimers „No Site to Fall“ empfang uns in einer ähnlichen Satellitenumgebung im Ausstellungskabinett des Salzburger Kunstvereins. Die Struktur ist inspiriert durch einen Teil der „Mars Research Unit“ in Utah, nicht weit entfernt von Robert Smithson’s „Spiral Jetty“. Diese eigentümliche Landschaft hat eine doppelte Identität; sie wird nicht nur für hochentwickelte wissenschaftliche Forschungen nach Lebenszeichen aus dem Weltall genutzt, sondern auch als Kulisse für Sciene-Fiction Filme wie „2001: A Space Odyssey“, die dem Publikum eine Vorstellung davon zu vermitteln versuchen, wie es „dort draußen“ aussieht. So nähert dieser Ort die Erde dem Weltall an, schlägt eine Brücke zwischen dem Hier und dem Dort.

Was Sonia Leimer in diesem Fall anzieht, ist der aktive Vorgang des Zusammenführens, viele Welten in einer Welt zu finden, was letztlich das Hier und das Dort zusammenhält. Das positivistische Streben des Menschen nach Fortschritt umfasste seit jeher den Kontakt mit dem Weltall. Nach wie vor steht der erste Schritt auf dem Mond für einen der bedeutendsten Momente der Geschichte der Menschheit. Allerdings stellt sich die Frage, ob unsere ungestillte Neugierde tatsächlich dem Weltall gilt, da in Science-Fiction das Weltall zu einem Ort wird, an dem sich die Probleme der Menschheit lediglich in einer anderen Sprache widerspiegeln. Die Bereiche der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft sowie das Hier und das Dort sind durch einen ähnlichen Prozess der Annäherung miteinander verbunden.

Dementsprechend imitiert Leimer diese besondere Haltung in ihrer Installation „No Site to Fall“ in. Die Siebdruckbilder, die sie verwendet, waren unter den ersten Bildern vom Mars, die mit einer nun längst technisch veralteten Kamera des entsandten Satelliten aufgenommen wurden. Diese verschwommenen Bilder werden mittels Siebdruck auf ein Material gedruckt, das speziell für Raumanzüge für zukünftige Marsexpeditionen entwickelt wird. Filmmaterial, das die Künstlerin vorübergehend aus dem Archiv einer Fernsehstation entliehen hat, zeigt Landschaftsaufnahmen und Detailbilder des Ortes. Vielleicht erinnern wir uns unbewusst, diese Bilder in unserer Kindheit in Science-Fiction Filmen schon gesehen zu haben. Tatsächlich verkörpern sie die allgemeine Vorstellung, die eine bestimmte Generation vom Aussehen des Planeten Mars hat. Wir befinden uns hier an den verschwommenen Übergängen zwischen dem, was als Vorstellung und dem, was als real angesehen wird.

Wir brauchen einen Raum dort draußen, um darüber zu sprechen, was wir hier haben. Die „Support Structure“, die die Künstlerin gebaut hat, verhindert ein vollständiges Betreten des Kabinetts. Das erinnert mich an die Satellitenschüssel, der sich Jodie Foster widmet, und an „Tilted Arc“ von Richard Serra, welches zu seiner Zeit die Grand Army Plaza blockierte. Die Krümmung der Struktur teilt den Ausstellungsraum, vergrößert ihn aber gleichzeitig. Diese Vergrößerung entspricht dem Wunsch der Künstlerin, den Besuchern zu verdeutlichen, dass der Ort, an dem sie sich befinden, nicht nur ein Ausstellungsraum mit vier Wänden ist. Die Besucher werden dazu eingeladen, ihre Vorstellungskraft bis zu einem Punkt auszudehnen an dem es nicht mehr möglich ist zu unterscheiden, wo die Realität aufhört und die Vorstellung beginnt und vice versa. Es ist genau dieser Prozess der Annäherung, der den Grund, auf dem wir stehen, zusammen hält und unsere Wünsche beherbergt.

Installationsansicht Salzburger Kunstverein 2010

Installationsansicht Salzburger Kunstverein 2010
Foto: Andrew Phelps