04–06
2006
 
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Termine 2006

27.04.–14.06.2006
Ausstellung

Ion Grigorescu
Am Boden

Eröffnung: 26. April 2006, 19 Uhr
Eröffnungsrednerin: Hedwig Saxenhuber, Kuratorin, Wien

Kunstgespräch: 27. April 2006, 18 Uhr

Mit „Am Boden“ zeigte der Salzburger Kunstverein eine umfassende Werkschau des rumänischen Künstlers Ion Grigorescu. Präsentiert wurden Arbeiten aus den Genres Fotografie, Performance und Film, der Schwerpunkt lag auf den fotografischen Werken von den 1970er Jahren bis heute.

Für die Ausstellung entwarf Ion Grigorescu ein reduziertes, installatives Setting in Form eines labyrinthisch angelegten Dorfes. Durch enge Gassen gelangten die BesucherInnen vorbei an Häusern und einer Kirche und beschritten einen Weg durch öffentliche, spirituelle sowie private Dimensionen des Alltags. Begleitet wurde die Ausstellung von einer vom Künstler bearbeiteten Version der „Deutschen Tänze“ von W. A. Mozart*. Durch eine Verschiebung der beiden Audiospuren ergab sich eine disharmonische Klangcollage, die der ursprünglich atmosphärisch-leichten Tanzmusik einen schweren Charakter verlieh. Grigorescu stellte damit in der Ausstellung eine Verbindung zwischen der Zeit Mozarts und der Fotografie als kunsthistorischer Gattung her. Diese wiederholt in seinen Augen die Finesse und Leichtigkeit des Rokoko und steht so im Gegensatz zur zeitgleichen, ideologisch aufgeladenen Historienmalerei. Der Bezug zur Epoche des Rokoko fand sich in der Ausstellung außerdem in Form von Scherenschnitten, einem in dieser Zeit sehr beliebten kunsthandwerklichen Verfahren.

Ion Grigorescu (geboren 1945, lebt in Bukarest) gilt als einer der wichtigsten rumänischen Künstler der Nachkriegszeit. Der Künstler bearbeitet in seinen Werken seit 1967 Fragen nach Sexualität, Körper und Politik, einerseits unter dem Blickwinkel des kommunistischen, andererseits aber auch des kapitalistischen Systems. Dabei stehen immer wieder Fragen nach dem Stellenwert von Kunst und ihrem kritischen Potential im Mittelpunkt. Obwohl Ion Grigorescu eine der führenden Stimmen in der Zeit der Ceauşescu-Diktatur war, wurde sein vielfältiges Oeuvre erst zu einem kleinen Teil international rezipiert – hier vor allem die explizit politischen Arbeiten. Einer der frühesten Werkkomplexe (1972-78) ist die „Body-Art-Serie“, die den Künstler in seinem Atelier oder in sonstigen privaten Räumen in mehr oder minder intimen Situationen zeigt. Dabei entwarf der Künstler theatralische Szenerien mit Spiegeln, schrieb Drehbücher und erzeugte verschiedenste Illusionen. Diese Aktionen erforschten die Grenzen seines Körpers und hielten einen mechanischen und psychologischen Dialog mit dem Fotoapparat oder mit der 8mm Filmkamera fest. Grigorescu war in Bukarest übrigens der einzige Künstler, der in den siebziger Jahren eine Filmkamera zur Verfügung hatte. Die Lebenseinschränkungen im kommunistischen Rumänien beeinflussten die Arbeitsweise Grigorescus stark, immer wieder kamen und kommen „arme Materialien“ zum Einsatz. Produktionsfehler sind Teil der Arbeiten, in ihnen spiegeln sich die ökonomisch-politischen Bedingungen wider. Seit den späten siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich Ion Grigorescu außerdem immer wieder mit Formen der Erinnerung. Seine neuesten Arbeiten sind Bekenntnisse des Alltags und zeigen Aufnahmen seiner Familie und intime Momente. Während in den früheren Arbeiten oft voyeuristische Aspekte im Vordergrund standen, werden die BeobachterInnen hier zu Gästen des Geschehens.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in Kooperation mit dem Verlag Schlebrügge, Wien.

*Verarbeitet nach Johannes Wildner und Capella Istropolitana Orchestra in der Moyses Hall der Slowakischen Philharmonie, Bratislava 1989 (Naxos 1990)



Foto: Andrew Phelps, © Salzburger Kunstverein

Ion Grigorescu, Beius, 1978