06
2005
 
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Termine 2005

17.06.–18.06.2005
Veranstaltungen

Körperkino. Alte Frauen und ihre Geschichten
Filmprogramm zur Ausstellung „Ines Doujak. Dirty Old Women“. Zusammengestellt von Catrin Seefranz

17. Juni
A Good Uplift (USA 2002, Faye Lederman,
Cheryl Furjanic, Eve Lederman, 13 min)
O amor natural (NL 1996, Heddy Honigmann,
79 min)

18. Juni
Hoi Maya (CH 2004, Claudia Lorenz, 12 min)
Mit Haut und Haar (D 1999,
Martina Döcker/Crescentia Dünsser, 87 min)

Beginn jeweils 20 Uhr

Die im Programm versammelten Filme sehen gerade dort ganz genau hin, wo das Tabu regiert: in der verbotenen Zone von Alter, Körperlichkeit und Sexualität. Sie tun das ohne falsche Sentimentalität, dafür mit zärtlicher Präzision. Sie bringen Geschichte und Körper zusammen, programmatisch in „Mit Haut und Haar“, dem filmischen „Physiogramm“ von acht fast ein Jahrhundert langen Frauenleben.
Die Arbeiten nehmen sich Zeit, die Alten ohne Ungeduld zu Wort und ins Bild kommen zu lassen, die schönen Falten, die Brüste ohne „A Good Uplift“, die unverblümte Lust, das schamhafte Schweigen, die süßen Geheimnisse, das „verbotene“ Verlangen, für das es nie zu spät ist, wie der vielprämierte Kurzfilm „Hoi Maya“ aufs amüsanteste beweist. Entscheidend dabei ist, dass die gezeigten Filme die alten Frauen ganz ausdrücklich und selbstverständlich zum Subjekt ihrer Geschichte(n) machen. Gerade durch diese zutiefst respektvolle Perspektive entlocken sie den alten Frauen die vergnüglichsten, erstaunlichsten, klügsten Respektlosigkeiten dem in vielerlei Hinsicht oft gar nicht so jugendfreien Altsein gegenüber. „Wir sind alt, aber noch nicht tot.“

Was eine der Protagonistinnen in Heddy Honigmanns wunderbaren Passagen zu Erotik und Sexualität in Rio de Janeiro „O amor natural“ mit widerspenstiger Lakonie feststellt, gilt für die Repräsentation von alten Frauen im filmischen und medialen Diskurs ganz und gar nicht. Der ist nachgerade „!altersfrei“ – bis auf wenige notorische Stereotypen wie die fürsorgliche Großmutter, die agile (und neuerdings immer konsumfreudigere) Seniorin oder die unzurechnungsfähige Greisin. Alte Frauen sind demnach immer schon gestorben, in dem Sinn, als ihnen Vielfältigkeit vorenthalten wird, Widersprüchlichkeit, Lebendigkeit und – nach der unerbittlichen patriarchalen Verwertbarkeitslogik – jegliche Begehrlichkeit. Konstitutiv für die durchaus unterschiedlichen Repräsentationen ist immer das Sentimentale, das den etwas verschleierten Blick bevorzugt, der nie so genau hinschauen will auf das Wirkliche, in dem Fall auf eine Weiblichkeit jenseits des gesellschaftlich verordneten Haltbarkeitsdatums.

Catrin Seefranz lebt und arbeitet in Wien, seit 1997 beim Vienna International Film Festival VIENNALE, daneben Mitarbeit bei verschiedenen Projekten im Kultur- und Filmbereich wie identities. Queer Film Festival.

A Good Uplift Regie, Buch, Produktion: Faye Lederman, Cheryl Furjanic, Eve Lederman USA 2002, 13 min.

„A Good Uplift“ ist eine Dokumentation über ein Wäschegeschäft auf der New Yorker Lower East Side, in dem die Besitzerin und jüdische Großmutter Magda die Vorzüge ihrer Kundinnen im richtigen BH groß herausbringt. Früher nur für ihre Kundinnen reserviert, teilt Magda das von der Großmutter an sie weitergegebene Wissen mit den Filmemacherinnen und dem Publikum. In der Kombination von Frauen verschiedener Altersstufen, Hintergründe und Cup-Größen katalysiert der Film die Diskussion über Körperwahrnehmung und Selbstwertgefühl und lässt kraftvolle persönliche Statements und Dialoge entstehen.

O amor natural Regie: Heddy Honigmann Dokumentarfilm NL 1996, 35mm, Farbe, 79 min.

Heddy Honigmann bittet ältere Männer und Frauen verschiedenster sozialer Herkunft auf den Straßen, den Stränden und in den Friseurläden von Rio de Janeiro, ein erotisches Gedicht des brasilianischen Lyrikers Carlos Drummond de Andrade vor der Kamera zu lesen. Doch den vielen Bereitwilligen, die des Dichters Andenken hoch halten, sind die Gedichte mehr und mehr Anlass, ihren Erinnerungen an Sex und an das Leben an sich freien Lauf zu lassen und gewähren so einen intimen Blick in die brasilianische Gesellschaft. In diesem vitalen Werk der in Peru aufgewachsenen und heute in Holland lebenden Regisseurin („Tot ziens“) wird Erotik ebenso mit Poesie verwoben wie im gleichnamigen Buch, das die Grundlage dieses Films bildet.

Hoi Maya Regie: Claudia Lorenz, mit:
Heidi Diggelmann, Kurzfilm CH 2004, 35mm, Farbe, 12 min., Schweizerdeutsch (deutsch-englische Untertitel)

In einem Züricher Salon treffen die beiden Siebzigjährigen Maya und Charlotte aufeinander. In Rückblenden erfahren wir, dass sie als junge Mädchen ein Liebespaar waren. Werden sie nach über 50 Jahren einen Neuanfang wagen? Zur stimmungsvollen Musik der Schweizer Frauenband „Les Reines Prochaines“ kann man eine süße Geschichte genießen, die zeigt, dass Frauen auch im hohen Alter noch Lust auf Liebe und aufeinander empfinden können. Hoi Maya ist ein Augen zwinkernder Film über ernst zu nehmende Themen: über Lebenslust und (homosexuelle) Liebe im Alter.

Mit Haut und Haar Regie: Martina Döcker/
Crescentia Dünsser Deutschland 1999, s/w, 35mm, 87 min.

Detailaufnahmen zeigen die Falten in der Haut eines alten Menschen. Mit akribischer Kameraführung und prägnanter Beleuchtung schildern sie die am Körper sichtbar werdenden Spuren der Zeit. Ebenso anschaulich und präzise erzählen sechs alte Frauen aus Deutschland ihr Leben von der Kindheit bis zum Zweiten Weltkrieg. Manchmal hartnäckig, aber stets respektvoll, fragen die Filmemacherinnen
Martina Döcker und Crescentia Dünsser die sechs Frauen nach ihrem Verhältnis zu den Eltern, der Berufswelt, der Liebe und dem Krieg. So entsteht eine facettenreiche Chronik Deutschlands zwischen den beiden Weltkriegen, gebunden an die subjektiven Erinnerungen der alten Frauen. Die Vergangenheit ist nie abstrakte Rekonstruktion, sondern immer konkret, mit Haut und Haar erlebt. (Visions du réel)

Ines Doujak, Dirty Old Women, 2005, Performance zur Ausstellungseröffnung

Ines Doujak, Dirty Old Women, 2005, Performance zur Ausstellungseröffnung
Foto: Hermann Seidl