ࡱ > O bjbjAA 4 + + Ƽ f < < 8 D 2 T1 < F ? d 4 0 0 0 0 0 0 0 $ 3 B6 b 0 9 0 < : v , 1 ) ) ) 0 ) 0 ) ) ) PWbj ' ) 0 $1 0 T1 ) 6 ( < 6 ) ) 6 * ) 0 0 ) T1 6 : Hans Schabus. The Long Road from Tall Trees to Tall Houses Text von Samus Kealy Every life is in many days, day after day. We walk through ourselves, meeting robbers, ghosts, giants, old men, young men, wives, widows, brothers-in-love. But always meeting ourselves. James Joyce, Ulysses myth cannot possibly be an object, a concept, or an idea; it is a mode of signification, a form. We shall therefore take language, discourse, speech, etc., to mean any significant unit or synthesis, whether verbal or visual: a photograph will be a kind of speech for us in the same way as a newspaper article; even objects will become speech, if they mean something. Roland Barthes, Mythologies Its called the American Dream. You have to be asleep to believe it. George Carlin, Life is Worth Losing In Stephen Hawkings Laufbahn als Physiker gab es einen kritischen Punkt. Er hatte sich verrechnet. Die entscheidende Formel zur Berechnung der Zukunft des Universums war abgelehnt worden. Dabei war er sicher, dass die Berechnungen richtig waren. Monatelang musste sein Team immer und immer wieder die Zahlen prfen. Immer und immer wieder dasselbe Ergebnis: Es ging sich nicht aus. Und immer und immer wieder schickte Hawking sie an seine Mitarbeiter zurck. Sie mussten irgendeinen Fehler machen, dachte er. Ein letztes Mal landet die Berechnungen auf seinem Schreibtisch. Wieder dasselbe! Jetzt musste er seinen Fehler eingestehen: Die Zeit wird sich nicht umdrehen, sobald sich das Universum zusammenzuzieht. Wir knnen niemals zu unserer Jugend zurck. Diese Anekdote hat eine Parallele zur Ausstellung The Long Road from Tall Trees to Tall Houses von Hans Schabus und eine zu meinem Text. Erstens handelt es sich auch bei der Ausstellung um eine Untersuchung ber Sein und Zeit. Zweitens verschreibe ich mich wie Hawking einem analytischen Zugang, wenngleich ich eindeutig kein Wissenschaftler bin. Da die Formulierungen in meinem Text der wie Hawkings Formel auch lektoriert und korrigiert wurde die Ausstellung auch auf eine Formel bringen, die diese letztlich weder abbildet noch erklrt, handelt es sich auch bei mir um eine Hypothese. Und ich berlasse es anderen, wenn sie Lust haben, diese Hypothese zu erhrten oder zu widerlegen. Mein Text rekurriert auf Roland Barthes semiologische Mythologie und Semiologie, die miteinander verwoben sind. Betrachtet man die Spuren genauer, die Hans Schabus auf seinem Reiseprojekt fr diese Ausstellung gesammelt hat, dann ergeben sich dabei Postulate, die sein gesamtes uvre wie eine Bedeutungskette verbinden. Alle Glieder dieser Kette sind Zeichen, die zusammen eine Sprache ergeben, mit der ich die Ausstellung beschreibe. Ich mchte hier aber nicht gnzlich Barthes Richtung einschlagen und mit dieser Sprache ein neues Signifikat schaffen, das ein bergeordnetes Superzeichen ergibt (nmlich einen Mythos). Stattdessen will ich zuerst die Zeichenkette zu einer Konjektur ordnen, die ich dann berprfen, in einer zweiten Analyse zu einem Narrativ und schlielich zu Schlussfolgerungen ausbauen werde. Im Folgenden bezeichnet das Wort Zeichen daher insbesondere was Schabus Postkarten betrifft einzelne Elemente der Bilder, die herausgehoben und in ihrer Bedeutung vergrert werden. Ich hielt es des Weiteren fr angebracht, diesen Essay chronologisch aufzubauen, weil dies, wie man sehen wird, zum tagebuchartigen Aufbau der Ausstellung von Hans Schabus passt. Nicht nur ist sein Gesamtwerk durch den Ablauf der Zeit geprgt es gibt einen Anfang, eine Mitte und ein Ende , es gleicht im Rckblick auch einer Reise. Desgleichen versuche ich mich an der Weisheit (oder ist es die Torheit?) des Rckblicks und ordne meinen Text in drei Teile. Den Anfang bildete Stephen Hawkings Fehler und die Schwierigkeiten der Physik, das Universum zu deuten. In der Mitte folgt nun eine Analyse der Postkarten, die Hans auf seiner Reise jeden Tag gekauft, geschrieben und collagiert hat, wobei ich diese und jene bei Gelegenheit genauer unter die Lupe nehmen werde. Den Abschluss bildet ein Versuch, die Fden meiner Analyse zusammenzuziehen und so zu verknpfen, dass sie einen Vorschlag ergeben, wie man diese Ausstellung und ihre Bedeutungsebenen sehen kann, ob sie vom Knstler beabsichtigt sind oder nicht. ---- In zwei Jahrzehnten knstlerischer Praxis hat der in Wien lebende Bildhauer Hans Schabus Kunstwerke geschaffen, die mit seinen Erfahrungen des Kosmos spielen. Sein direktes Umfeld bildet oft den entscheidenden Bezug, aus dem er Ideen physisch manifestiert. So hat er riesige Lcher in seinem Atelier gegraben, Museen unterhhlt oder Kanalsysteme durchsegelt. 2005 verwandelte Schabus dann den sterreichpavillon auf der Biennale Venedig in einen riesigen labyrinthartigen Berg. Die neue Ausstellung speist sich aus einer nachdenklich poetischen Reise des Knstlers durch Raum und Zeit. Vom 19. bis zum 30. Juli 2015 fuhr Schabus mit dem Fahrrad 5.352 km quer durch die Vereinigten Staaten. Jeden Mittag hielt er um 12 Uhr an, um seine Umgebung zu dokumentieren. Jeden Abend schrieb er eine Postkarte, auf die er zumeist etwas aufklebte oder die er mit kurzen Notizen ber seine Erlebnisse versah. Fast wie ein Journalist beschrieb er so seine Fahrt von der einen auf die andere Seite des Landes. Das tgliche Ritual und die Reise sind Thema der Installation, die auch eine Intervention in das Bauwerk des Kunstvereins umfasst, nmlich ein Loch durch die Wand. Schabus kombiniert 42 gerahmte Wandarbeiten, die, wie er selbst meint, eine Art Horizont im Raum bilden, mit von der Decke hngenden Fahrradteilen und der architektonischen Intervention. Die Fahrradteile beziehen sich, so Schabus, auf die vertikale Achse, wie es die High Noon Fotos tun. Die gerahmten Arbeiten funktionieren eher wie Vitrinen, in denen gesammeltes Material ausgestellt ist. Das unterscheidet sie, sagt Schabus, von normalen Bildern, die als Fenster nach auen konzipiert sind. Die Rahmung selbst ist auch wichtig, da die senkrechten Streben aus einem klassischen Aluminiumprofil bestehen, damit sie im Gesamtzusammenhang weniger sichtbar sind. Die waagrechten Streben wiederum sind aus hlzernen Distanzleisten gemacht um eine Verbundenheit zu zeigen. Der gelbe Farbton, so Schabus weiter, hnelt dem Maisgelb vom Mittelstreifen auf den Straen, die er ja jeden Tag zur Genge zu sehen bekam. Jede Wandarbeit entspricht einem Reisetag und enthlt jeweils vier identisch positionierte Bilder. Rechts oben befindet sich ein Foto, das Schabus zu Mittag mit seinem iPhone aufnahm. Links davon befinden sich etwas tiefer Vorder- und Rckseite der tglichen Postkarte, die er besorgte oder selbst fabrizierte, um sie an seine Atelieradresse in Wien zu schicken. Rechts unten schlielich ist ein Foto der Unterkunft, in die der Knstler abends einkehrte. Auf der Vorderseite der Karten liest man den Namen des Ortes, den Schabus erreichte. War keine Karte verfgbar oder nur eine ohne Ortsnamen, so schnitt er diesen aus einer lokalen Zeitung, einem Aufkleber oder hnlichem aus. Auf die Rckseite klebte er die Visitenkarte des jeweiligen Motels und notierte die am jeweiligen Tag zurckgelegte Distanz. Die Lnge der Reise von der West- an die Ostkste per Fahrrad in 42 Tagen lsst uns die immense, ja fast unermessliche Landschaft erahnen, die in diese 42 Rahmen verdichtet wurde. Im Vergleich zum Universum ist das zwar eine schier unendlich kleine mikroskopische Distanz, doch immerhin umreit das Projekt eine Ecke der Galaxis vollstndig. Ich sehe darin die Vermessung eines Raums mithilfe der Zeit, und zwar im Rahmen eines kontrollierten Systems, das sich auf das groe umgebende Auen bezieht. Zweiundvierzig Tage Erst am Ende meiner Analyse wurde mir klar, dass man nicht beranalysieren sollte. Wichtig bleibt die spontane und natrliche Reaktion auf die Ergebnisse dieser Reise. Als ich Bild nach Bild betrachtete, hielt ich manchmal inne, um mich ber die Geschichte bestimmter Stdte oder ber das Kartensujet zu informieren. Ich bekam den Eindruck, dass dies notwendig war, um die Reise und die Gedanken von Schabus nachvollziehen zu knnen, und sie nicht aus den Bildern und ihren Kontext in ein eigenes Narrativ zu sperren. Bei manchen Karten war der Kontext offensichtlich, bei anderen nicht. Es geht nicht darum, Geschichte und Kontext niederzuschreiben, sondern im Gegenteil, diese nicht das Entscheidende an dem Projekt von Schabus verdecken zu lassen, auf das ich spter noch zurckkommen werde. (1) Die Reise beginnt in Kalifornien. Das erste Foto, das Schabus genau um 12 Uhr mittags schoss, zeigt die atemberaubende Avenue of the Giants unmittelbar auerhalb von Myers Flat. Der Knstler befindet sich zwischen jenen tall trees, den hohen Bumen, von denen die Reise ihren Ausgang nimmt und die auch den Titel des eigens aufgesetzten Reise-Blogs zieren. Die erste Postkarte wurde am Abend desselben Tages geschrieben und zeigt das Panorama des idyllischen Stdtchen Garberville. Es handelt sich um eine ltere Aufnahme, wahrscheinlich aus den 60er-Jahren, doch immer noch in Verwendung, weil sie sichtlich die Romantik dieses ganz im Westen gelegenen Ortes insinuiert. Nachkriegstrume inmitten groartiger Natur. Im Zusammenspiel mit den merkwrdigen Skizzen auf der Rckseite der Karte knnte die Atmosphre des Fotos auf ein anfngliches Fremdheitsgefhl des Knstlers hindeuten, der eben erst in diesem Land der scheinbaren Offenheit, Gastfreundschaft, der Trume und des Patriotismus angekommen war. Spontan knnte man mit der Aufgabe, die sich Schabus selbst gestellt hat, Robert Franks Fotoserie The Americans aus den spten 1950ern assoziieren: Eine Reise durch vorfabrizierte Erinnerungsbilder und plakative Identitten, die nicht nur als bergangsritus und Selbstprfung, sondern auch als Gegenberstellung der amerikanischen mit der europischen Auffassung von brgerlicher Gesellschaft dient. Es geht um die Gegenwart, wobei in der Gegenberstellung noch der Wirtschaftsboom nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der romantische Begriff des amerikanischen Westens mitschwingen (ob dieser nun nur noch historisch ist oder nicht). Wir werden spter sehen, dass das nicht unbedingt stimmen muss. (2) Die zweite Postkarte ist die erste Originalcollage. Es handelt sich um die Montage von Fotosujets, die Schabus offenbar tagsber gefunden hat. Der orange Schriftzug Greetings from California hinter einer Reihe leicht bekleideter Pinupgirls aus den 50er-Jahren ist teilweise von einem gigantischen schwarzen Pickup berklebt. Das altmodische Frauenbild prallt geheimnisvoll auf ein aggressives Mnnlichkeitsklischee, beide stammen aus Werbungen ganz anderer Epochen. Muss ich das deuten? Ist diese Kombination ironisch gemeint? Staunt Schabus ber das Land, in das er da pltzlich geraten ist? Auf der Rckseite kleben Marken mit dem Slogan USA Forever, die auch auf spteren Karten immer wieder auftauchen. (3 6) Hier ein Bild des Clear Lake und dazu montiert die Verpackung eines Kamms, den der Knstler eindeutig fr die Reise gekauft hat. Auf der Hinterseite Johnny-Cash-Briefmarken, die ersten von vielen. Soll das nun heien, dass immer Anekdoten mit populren Ikonen kontrastiert werden? Knnte sein, denn auch auf der vierten Karte ist dies so: Wohlstand metaphorisch zu einem Jahrmarkt verdichtet. Wieder handelt es sich um ein lteres Foto, auf dem das Gewhnliche als Besonderes herausgestellt wird. Es ist das Klischee des amerikanischen Wohlstands, das auch immer wieder als Hintergrund der Politik in den USA herhalten muss und das man jeden Tag sieht. Auf den Briefmarken werden wir zum Feiern aufgefordert. Der Unabhngigkeitstag naht, nur noch etwas mehr als eine Woche! Weitere Instruktionen, diesmal in rosa Schrift sind auf die nchste Karte geklebt (Try Me! Plug me into your phone.). Das Foto zeigt Nevada City, ein Radrennen mitten in der Stadt. Auf der Rckseite die erste von vielen selbstklebenden Batman-Marken. Man fragt sich: Mchte uns der Knstler einerseits etwas mitteilen, andererseits aber auch den Zufall ins Recht setzen? Geht es um die groe Schatztruhe der Werbung, des Konsums, das Ich und seine Darstellung als brgerliches Subjekt, Nation und Patriotismus um die Fabrikation von Fiktionen und die Mythenmacherei im Nachkriegsamerika? Die Zeichen erscheinen beinahe antiquiert und doch findet man sie immer noch in allen Souvenirlden und Tourismusbros des amerikanischen Westens. Die Bilder verkrpern bisweilen wie auch bei der nchsten Postkarte mit einem alten Wildwest-Dampfzug so krasse Klischees, dass man sich fragen muss, wohin uns diese Bildersammlung fhren soll. Der Zug verweist eindeutig auf die Eroberung des Westens und die darauf folgende industrielle Revolution, die im Bewusstsein dieser Region wohl fr immer verankert sind. Ich mchte hier kurz innehalten. Ist es fair, an diesen paar Postkarten samt ihren Slogans, die ein Wiener Knstler auf einer Radreise durch die USA gesammelt hat, gleich eine ganze Kulturanalyse aufzuhngen? Zgeln wir doch kurz unseren Gedankengang. Wrde man Wien nach seinen Ansichtskarten beurteilen, kmen vergleichbare Klischees zutage, und das wirkte wohl auch etwas naiv und bodenlos. Auf der anderen Seite wrde man sehr wohl winzige, aber knospende Samenkrnchen der Wahr h e i t e r k e n n e n , w i e u n s a u c h d i e P s y c h o a n a l y s e e i n e s S l a v o j }i ~e k s n a h e l e g t . D i e K a r t e n w u r d e n i n c h r o n o l o g i s c h e r R e i h e n f o l g e g e s a m m e l t . I h r e A n o r d n u n g f o l g t a l s o e i n e m f i x e n S y s t e m , d a s s s i c h H a n s f r s e i n e R e i s e s e l b s t a u f e r l e g t h a t . D i e F r a g e i s t a l s o : Sollen wir wirklich so etwas wie eine Kulturanalyse betreiben und versuchen Bedeutung in die Karten zu lesen? Oder knnen wir die lineare Lesart vermeiden, ohne gleich die chronologische Ordnung ber Bord zu werfen? Immerhin spiegelt diese ja wider, was wirklich passiert ist. (7 8) Als nchstes The People-The Railroad-The Water-The Homesteads, also Das Volk-Die Eisenbahn-Das Wasser-Die Heimat. Das Motiv ist am Rand mit Verpackungsresten und der Aufschrift 100% Petroleum Jelly berklebt Vaseline, das der Knstler bestimmt zur Genge fr Abschrfungen bentigte. Auf der Rckseite eine von vielen Visitenkarten, die Schabus whrend seiner Reise gesammelt hat. Langsam knnen wir uns auch die Leute, die Schabus auf seinem Weg getroffen oder vielmehr nicht getroffen, sondern nur passiert und im Augenwinkel gesehen hat, als atmende Wesen mit eigenen Gedanken und Lebensformen vorstellen. Nennen wir das frs Erste intensive Begegnungen. Man muss bedenken, wie einsam diese Reise gewesen sein muss, was man anhand der nchsten Karte erahnen kann: The Real On Lonely-Welcome to Middlegate: The Middle of Nowhere Population 17 17 Einwohner! Das klischeehafte Wildwestschild kontrastiert hier hart mit der Realitt. Oder ist das nur ein Witz? Halb Wahrheit, halb Kitsch? Auf der Rckseite der Postkarte wieder eine Batman-Marke, auf der diesmal zu lesen ist Batman / Forever / USA. Sollen wir das interpretieren? Besser nicht. Es gibt ja den typisch amerikanischen Ausspruch es ist, was es ist. Das kann man wrtlich, also als Aufruf zur Oberflchlichkeit, oder im Sinne von Zen verstehen. Wie dem auch sei, beide Male wird die Bedeutung des Subjekts negiert. Man lsst dass Subjekt aus, umgeht, leugnet es. Das bringt mich auf Batman zurck, den ich wie folgt deute: Eine Comicfigur, Held und Antiheld zugleich, zeitgebunden, steht in meinen Augen fr die alten und heute so korrumpierten amerikanischen Ideale. Der Batman aus den Originalcomics 1939 oder der spteren Fernsehserie der 60er-Jahre ist einfach ein verkleideter Polizist im Vergleich zu dem schwarzen Ritter nach 1990, der Waisenkind und doch schier unendlich privilegiert und reich ist. Diese sptere, hintergrndigere Figur ist auch der Batman der neuen Filme von Christopher Nolan mit Christian Bale (und dann, leider, Ben Affleck) in der Hauptrolle. Batmans Alter Ego Bruce Wayne ist Multimilliardr und (meistens) eng in die Stadtpolitik verstrickt. Er ist zwar superreich, aber kein Selfmademan, weil er sein Vermgen geerbt hat. Er ist immer allein und macht den Eindruck eines Unternehmers. Das Trauma, beide Eltern so frh gewaltsam verloren zu haben, ist das Motiv seiner dauernden Bereitschaft, das Verbrechen zu bekmpfen. Sein Vermgen investiert er also in kugelsichere und hautenge Kostme, technische Gadgets, superschnelle Autos, akrobatische Ausrstung, seinen treuen Diener und die unterirdische Batcave, die er braucht, um allerhand Schurken und Wahnsinnige zu bekmpfen. Ob Joker, Clayface, Two-face, Hugo Strange, der Pinguin oder der verrckte Hutmacher alle Gegenspieler Batmans sind wahnsinnige und unglckliche Seelen, die nur wegen ihrer schwierigen (und bezeichnenderweise armen) Kindheit kriminell wurden. Da Batman in der nahen Zukunft spielt, knnte die Metapher nicht deutlicher sein: das eine Prozent Reiche bekmpft und killt die 99 Prozent Armen, die sich den geltenden Regeln des schaurig schnen Kapitalismus nicht unterwerfen wollen, sondern einer anderen, eben irren Ethik folgen. In seiner Kluft prgelt Batman auf sadomasochistische Art und Weise alle Verbrecher zu Brei, und das mit reinem Gewissen und Motiv, hat er doch als Kind ach so sehr gelitten. Sein Charakter schwankt also zwischen zwei Chiffren dem drohenden und oft sadistischen Bestrafer, den die Gesellschaft bisweilen verachtet, und dem idealisierten Milliardr, den sie bewundert. Eine amerikanischere Geschichte gibt es wohl kaum. Anstelle einer politischen Figur, eines Volkshelden, Knstlers, Grndungsvaters oder Revolutionrs sehen wir auf amerikanischen Briefmarken dauernd diesen fast infantilen und vllig surrealen Superhelden. Auf derselben Karte befinden sich auch Marken mit der Aufschrift Forget Me Not, die eine Kampagne zur Suche vermisster Kinder bewirbt auch ein unheimliches Motiv, das genauso gut aus einer Batman-Geschichte stammen knnte. Hier allerdings sprt man dunkel die Realitt unter dem traumartigen Nebel, der die USA einhllt, durchscheinen. Forget Me Not wirkt aber auch wie ein Aufruf an den allein reisenden Knstler, der sich selbst, wie wir noch fter sehen werden, nicht verlieren darf. (9 10) Daran gemahnt auch die Loneliest Road in America auf der nchsten Karte. Langsam beginnen wir zu begreifen, wie forlorn, wie verloren Hans auf dieser Reise ist, trotzdem er in seiner peripatetischen Praxis schon einige unternommen hat. Hat er die Postkarte ausgesucht oder sie ihn? Egal, wir merken, dass er diese Einsamkeit vorhergesehen hat. Auf der Rckseite der nchsten Karte wieder das Forget Me Not, diesmal neben einer Marke From Me To You. Beide passen zum Verschwinden in der selbstauferlegten Einsamkeit dieser Fahrt. Zu diesem Zeitpunkt knnte der Knstler wirklich begonnen haben, in der Landschaft und in den repetitiven Bewegungen des Radfahrens zu verschwinden. Die unermessliche Weite des Universums drngt sich langsam in den Vordergrund. Dann kommt er nach Eureka, Nevada. Wir sind am zehnten Tag und das ist die zehnte Postkarte. Jede kleine Spur, jeder Fleck, jeder Buchstabe, jeder Riss, jede fehlende Zahl, die Farben alles wird jetzt gleich wichtig und unwichtig. Alles wird nichts und zugleich alles. Das kontrollierte System fhrt zu ersten Erkenntnissen. Das Brummen des Kosmos und das Gerusch der Reifen auf der Strae werden zunehmend ununterscheidbar. (11) Diese Art Trance wird jh von einem einfahrenden gelben Zug unterbrochen, ber den ein Joghurtetikett geklebt ist. Hier konterkariert Hans spielerisch die Selbstdarstellung des Ortes East Ely. Das Entfernte, das Irreale, das Unvorstellbare, das Unbekannte, das Unberhrte, das Ungesehene tauchen pltzlich auf. Egal, wie sinnlos, banal, kitschig, lcherlich oder auch bedeutsam dieses Dorf sein mag, ist es immerhin die Erwhnung wert, dass der Knstler dort war. Selbst wenn, ja besser: gerade weil er nur im so de klingenden Main Hotel bernachtete. (12) Das Etikett mit der Aufschrift Healthy Clean klebt auf dem Foto einer typischen mittelwestlichen Szene mit ihrem Motelkasten direkt neben der Strae. Der Name Border Inn suggeriert, dass man sich an einer Grenze befindet. Der Knstler hat nun gewissermaen die gewohnte Zivilisation verlassen. Andererseits knnte er aber auch einfach vor Anstrengung, Einsamkeit und selbstauferlegtem Zwang an einer Grenze angekommen sein. Auch hier wieder das Batman-Logo. Seine Axtform passt indes mittlerweile zum Launigen, das diese Karten zusehends vermitteln. Die Briefmarke mit der Aufschrift From Me to You erinnert uns daran, dass Hans sich die Karte selbst geschrieben hat. Er schickt sie am 30. Juni 2015 ab und wird sie mehr als ein Monat spter in Wien bekommen. Der Knstler jetzt und in einem Monat sind nicht dieselben. Es sind, wie uns die Physik eventuell besttigen knnte, zwei Entitten, die jeweils eigene zeitliche und psychische Merkmale tragen. Man denke daran, was die Psychoanalyse zur Zersplitterung des Ich sagen wrde, die sich diese Reise hindurch verschrfte und deren Spuren nun vor uns in der Ausstellung zu sehen sind. Man bedenke: Die Fahrt dauert noch weitere 30 Tage. (13 14) Zwei Batman-Marken auf der Rckseite der Karte zum Annual Snow Goose Festival in Utah, dem Schneegansfestival. Am nchsten Tag die Karte eines missionarischen Mormonen Ausbildungszentrums, beklebt mit dem Abriss einer Speisekarte. Man hat den Eindruck, der Knstler gestaltet die Karten immer weniger, versucht immer weniger, bewusst Bedeutungen gegenberzustellen. In dieser berladenen Welt, die er tglich sieht, werden sich Gegenstze schon von selbst einstellen. Schabus bedient sich hier einer echten Gegenstrategie zu der sonst bei heutigen Knstlerinnen und Knstlern blichen popkulturellen und filmischen Zitierweise. Diese folgt meist amerikanischen Knstlern wie Andy Warhol, Robert Rauschenberg oder insbesondere James Rosenquist. Schabus winzige Postkartencollagen sind beilufig hingeworfen. Der Zufall regiert ber das bewusst Gestaltete. Der Zufall liegt hier offenbar im Zentrum der Bedeutungsproduktion. Doch je weniger der Knstler nach Bedeutung sucht, umso mehr Bedeutung offenbart sich von selbst. (15) Das fr einen Knstler bedeutsamste Glied in einer Assoziationskette erscheint auf der nchsten: ein Museum. Hier stehen wir vor dem klassischen Bewahrungsort von Geschichte und daher der typischen Bedeutungsfabrik. Ob Schabus dieses Motiv absichtlich ausgesucht hat, ist gar nicht wichtig. Auf der Hinterseite blickt uns eine weitere Ikone an der verstorbene Meister Johnny Cash. Er erinnert an die Absurditt des Lebens. Vielleicht singt er ja A Boy Named Sue? (16) Die Collage von Tag 16 ist obsessiver, unsicherer, packender, wilder. Oder muss der Knstler die vielen Aufkleber loswerden, weil er ja mglichst wenig tragen will? Die sechs weien Streifen, die er mit den Aufklebern gemacht hat, erinnern an die 13 Streifen der amerikanischen Flagge ein Hinweis auf den heutigen Unabhngigkeitstag. Daher also diese Collage ber einem Foto des Duchesne River, den wir daher wohl nie zu Gesicht bekommen werden. (17) Die zufllige Bedeutungsproduktion wird beim Eintreffen des Knstlers in Dinosaur, Colorado, geradezu bizarr. Der Zusammenhang der amerikanischen Weite mit dem permanenten Strom von Dinosaurierfilmen mit der Serie Jurassic Park verpflanzte Steven Spielberg deren Zeitalter sogar in die Jetztzeit oder die nahe Zukunft und verdichtete so ganze onen zu einem einzigen Augenblick prallt hier auf die unerklrliche und unglaubliche Vorgeschichte des Menschen. Die Sonne brennt. Erschpft begreifen wir, dass diese Riesentiere so real waren wie wir es jetzt sind. Obwohl sie aus dem Kino so vertraut scheinen, sprengen sie jede Bedeutung. Wir mssen daran denken, dass diese Wesen aus Fantasy-Filmen von einer kosmischen Laune ausgelscht wurden, bevor uns das Terrace Motel, The Gateway to Dinosaur National Monuments mit seinen sauberen, gnstigen Zimmern in seiner Faktizitt wieder in die Welt der Bilder und Bedeutungen zurckholt, die Schabus jeden Tag erlebt. In Amerika glaubt man eben auch die unglaublichsten Geschichten, sogar die, die sich lange vor dem Auftreten des Menschen abgespielt haben. Auch sie sind ein Zahnrad in der Konsummaschine und des gar kindischen Glaubens an die christliche Schpfungsgeschichte. Inzwischen strampelt der Knstler weiter das lange graue Band mit seinem gelben Mittelstreifen entlang. (18) Die Cowboy-Kultur und der Mythos des Wilden Westens ist eine weitere dieser amerikanischen Phantasmagorien. Ganz nebenbei gesagt ist es kein Zufall, dass ein Film von Schabus, der vor mehr als zehn Jahren entstand, Western heit. Dort fhrt der Knstler mit einem Segelboot durch dasselbe Wiener Kanalsystem wie Der dritte Mann in dem international bekannten Kinoklassiker. Auf dieser Postkarte klebt in groen roten Lettern Maybell ber zwei ber die Prrie reitenden Cowboys, die ihre Herde dem aufgehenden roten Mond entgegentreiben. Dieses Bild ist in seiner Ikonenhaftigkeit nicht nur in Amerika, sondern auch auerhalb fest mit der amerikanischen Identitt verbunden. Da ich mich aber nicht allzu sehr auf Zeichen fixieren will, mchte ich es auch anders sehen, nmlich nicht nur als politisch, kulturell und historisch dechiffrierbare Ikone, sondern auch als Fremder, der das Bild vorher noch nie gesehen hat. Ob sich Schabus zu diesem Zeitpunkt wie ein Auerirdischer gefhlt hat, der allein auf einem fremden Planeten gelandet ist? Auf der Rckseite der Karte zeichnete er jedenfalls neben einem weiteren Johnny-Cash-Aufkleber das Logo des Victory Hotel ab. Fast meint man, Schabus schwelge aus lauter (unschuldiger?) Freude in diesem endlosen Strom aus Zeichen, obwohl dieser doch fr die Menschen letztlich eine undurchdringliche Wand aus rtselhaft glitzernden Wunschbildern ist, die ihre kollektive Wirklichkeit zusammenkittet. Als Knstler kann Schabus jedoch durch diese Wand und durch die Sehnschte hindurch gehen als Voyeur, als Reisender, der zwar sammelt, aber nichts behlt. Die Karten kommen flugs als Dokumente in sein Wiener Atelier, wo er sie spter objektiv analysieren und wie Proben unter dem Mikroskop untersuchen kann. So wird er dann die verschiedenen Bedeutungen entschlsseln und aus den Zeichen ein neues Universum bauen, das sich zwar aus dem der Reise speist, sie aber nicht unbedingt spiegelt oder auch nur voraussetzt. Im Grunde ist es auch egal, ob diese Zeichen, die die amerikanische Gesellschaft rational zusammenhalten (obwohl diese, wie ich hinzufgen mchte, wie fast jede Gesellschaft aus lauter Wahnwitz besteht), letzten Endes auf die groe bergeordnete Illusion namens USA zurckfhrbar sind. Es ist egal solange man wie Schabus daraus Zeichen als Rohmaterial gewinnen kann. (19) Als nchstes die Postkarte aus dem Stdtchen Steamboat Springs. Es handelt sich um einen idyllisch ruhigen Ort, jedenfalls wenn man dem Foto glaubt. Wird sich der Knstler hier kurz Ruhe gnnen? Kann man auf so einer Monstertour auch Natur und andere Schnheiten genieen? Ich wage zu behaupten, dass Schabus neben diesem Wirbelsturm an Assoziationen und Trumen auch tatschlich Erhabenes erlebte. Ja, vielleicht geht beides sogar ineinander ber. Bis hierher war ich sehr auf die Zeichen fixiert, die, wie gesagt, den Text strukturieren sollen. Die Zeichen, die der Knstler whrend der 42 Tage gesammelt hat und die in die 42 ausgestellten Wandarbeiten mndeten. Und doch hat Schabus die weitaus meiste Zeit auf fast leeren Straen verbracht. (20 21) ber dem grnen Walden in Colorado schwebt ein bunter Fesselballon. Muss sich Schabus mittlerweile nicht total wie dieser schwerelose Ballon am Himmel fhlen? Wir halten bei Tag 20, beinahe Halbzeit dieser zehrenden Fahrt. Das Gefhl, wurzellos zu sein, zu treiben, durch den Raum zu driften in diesem Zustand befindet sich nicht nur der Knstler, er bringt auch andere dazu. 2002 baute er zum Beispiel hauptschlich aus Karton sein Atelier in Originalgre in der Wiener Secession nach. Der Titel des Werks lautete Astronaut: Komme gleich und verweist auf einen entkrperlichten Zustand in der Ausstellung. Schwerelosigkeit und Verlorenheit verbanden sich so wie auch auf der Fahrt hier. Und immer wieder Marken mit der Aufschrift USA Forever. Auch hier, und zwar neben der Visitenkarte des eher uninspirierten Days Inn. Auf dieser Reise sind manche Tage besser als andere, aber nicht nur die gleichfrmigen Bilder und Zeichen suggerieren durch die serielle Prsentation Bedeutung, sondern mehr noch die Ordnung und der Weg. So gesehen mssen wir nicht jedes Mal, wenn eine Briefmarke wieder auftaucht, die jeweiligen amerikanischen Mythen rekapitulieren. (22 24) Die Karte aus Sterling in Colorado kommt uns wie eine Fahne oder ein Firmenlogo vor, wie ein altmodisches, fast vergessenes Emblem. Das erinnert mich daran, dass immer noch die Frage offen ist, ob sich der Knstler auf seiner Fahrt selbst vergisst, wie die Forget Me Not-Marke auf der Rckseite andeutet. Die 24. Karte deutet an, dass dies sehr wohl mglich ist, blo auf andere Art als gedacht. Fremd und beinahe unleserlich der Name des Ortes Arapahoe. Daneben ein aus der Zeitung ausgeschnittenes Foto von zwei Cowgirls samt breitkrempigen Hten auf Pferden, vermutlich auf einem Festzug. Das Foto erinnert an eine von Robert Franks sehnschtigen Aufnahmen aus der Serie The Americans. Auf dieser Karte kommen semiologisch so viele Zeichen zusammen, dass sie fast wie ein Pizza mit allem drauf wirkt oder wie ein archologisches Fundstck. Das erinnert an den berfluss eines Imperiums, das an seiner eigenen Pracht zu ersticken droht. (25) Aus Hastings das Bild eines schlichten Planwagens. Der Pionier auf dem Kutschbock schtzt sich im Schatten vor der Sonne, whrend er seinen Ochsen antreibt. Neben dem Wagen ein Cowboy mit geschulterter Flinte. Die ganze Geschichte des Kolonialismus wird hier zu einer Ikone verdichtet und durch deren harmlose Machart zugleich wei gewaschen. Schabus bernachtete im Rainbow Motel. Ich stelle mir den Knstler vor, wie er abends darber grbelt, wie Geschichte bei allem Drama und Trauma doch so sehr von Witz, Romantik und Heldenmythen vernebelt wird. Oder aber er trumte von der Weite der Prrie. (26 28) Der Humor scheint Schabus jedenfalls nicht vergangen zu sein. Das Etikett eines vielsagenden Flat Tire Amber Ale klebt auf der Postkarte aus Lincoln. Auf der Rckseite ein Aufkleber mit einem Wiener Dog, ein drolliges Stck Heimweh und vielleicht auch ein kleines Selbstportrt, soweit vorgerckt auf dieser hundigen Radfahrt. Gut mglich, dass er sich im Chautauqua Park Pavilion, der wie ein UFO im nchsten Ort gelandet scheint, ein wenig ausruhen konnte. Wir befinden uns in Red Oak, Iowa. An diesem Punkt wird mir pltzlich klar, dass ich mich vielleicht gar nicht auf Bedeutungen und Assoziationen zu dieser Reise htte einlassen sollen. Ich hatte meinem Team nicht rechtzeitig Kalkulationen geschickt. Vor etwa zehn Bildern war ich noch berzeugt, dass ich Hans von einer Geschichte wrde berichten knnen, mit der ich alle Vorflle und Zuflle auf seiner Fahrt unter einen Hut gebracht htte. Diese Hoffnung zerbrselt mir nun zwischen den Fingern. Natrlich sehe ich immer noch Ordnung, Ablauf und Regelhaftigkeit, die sich der Knstler auferlegt hat. Doch der eigentmliche Totempfahl mit dem streng blickenden Gesicht gemahnt mich daran, dass meine lineare Lesart von Anfang an nrrisch war. Denn die Vielschichtigkeit, mit der Nordamerika seine Geschichte und sein Verhltnis zur Kultur der Urbevlkerung behandelt, fhrt jeden Versuch, ein Narrativ in Schabus Werk zu lesen, ad absurdum. Vielleicht ist so ein Versuch auch einfach nur zu europisch. Der Totempfahl stammt vom indigenen Holzschnitzer J. Kuhs, dessen Facebook-Seite allerlei Holzkitsch und Souvenirs prsentiert. Pltzlich kommt mir die Statue wie eine Parodie historischer Totempfhle vor. Diese tragen, wenn berhaupt, nur ganz selten menschliche Antlitze und stellen eher Legenden, Tiere oder Geister dar. Die Abbildung des Indianerhuptlings Osceola und das gleichnamige Stdtchen bedienen sich also eines fragwrdigen Mythos, insbesondere wenn man die Gleichfrmigkeit der heutigen amerikanischen Kultur bedenkt, die all diese lokalen Mythen unter einen groen amerikanischen Mythos subsumieren und letztlich aufsaugen. Soll uns das kmmern? Oder passiert Schabus einfach diesen Ort, um seine Bilder der Sammlung beifgen zu knnen. Ist das einfach nur ein neues Souvenir, das sich aus der systemischen Fahrt ergibt? (29 30) Als Schabus Oskaloosa erreichte, mag ihm vielleicht die Idee gekommen sein, wie es wre, in einer dieser amerikanischen Kleinstdte leben zu mssen. Dieser Flecken mit seinen 11.400 Einwohnern hat wie viele Orte in Nordamerika einen indigenen Namen. Das Stdtchen mag im ersten Augenblick abweisend wirken, nach und nach wrde man sich aber wohl daran gewhnen. Wre es dann aber nicht schon wieder Zeit weiter zu ziehen? Und wie sollte man dort Geld verdienen? Msste Schabus auf dem Schlachthof aushelfen? Das Foto, das er an diesem Tag mittags noch in der Nhe des Orts schoss, lsst dies jedenfalls nicht unwahrscheinlich erscheinen. Die Fotos dieses repetitiven Mittagsrituals knnten berhaupt das sein, was ich vergessen habe das, was man bersehen kann und was bei meinen Beschreibungen fehlt. Auf dem abgebildeten LKW meine ich nmlich lebende Tiere durch das Gatter drngen zu sehen. Ist das vielleicht eine Ladung Schweine auf dem Weg zum Schlachthaus? Obwohl alles mit Bedeutung aufgeladen ist, obwohl jedes Detail, das ich entdecke, zu leben beginnt, denke ich jetzt ausgerechnet an das kurze elende Leben dieser armen Schweine! Als Hans das Foto aufnahm, lebten sie noch, so man denn ihre Existenz angesichts dessen, was wir von Schweinefabriken und Schlachthfen wissen, berhaupt Leben nennen will. Jetzt sind sie sicher tot. Mir kommt vor, als ob diese Erkundung und Sammelei, die sich Hans auferlegt hat, auch vieles aufdeckt, was er gar nicht so genau wissen wollte. Durch die tglichen Fotos und Collagen schimmern ja immer wieder unbekannte Welten hindurch. Ist deswegen mein Mitleid mit den Schweinen irrelevant oder aufgelegt? Oder ist meine Aufmerksamkeit blo so gesteigert, dass sie alles und jedes entdeckt? Was verbirgt sich wohl hinter den Batman- und den selbstsicher platzierten From Me to You-Aufklebern? Immerhin sind all diese Dinge, die wie kuriose existentielle Scherze wirken, Teile unseres Universums. Trotz aller Scherze taucht jeden Tag aus dem Unsichtbaren etwas Neues auf und zieht uns in seinen Bann. Langsam ahne ich, dass auch die trivialsten Ereignisse etwas bedeuten knnen und daher leicht ein Strudel immer neuer Assoziationen entsteht, den man mit Vorsicht genieen muss. Man muss unter den Ereignissen auswhlen, so wie man eine Rose in einem Rosengarten auswhlt. Es ist wie in Der Fremde. Camus Held Meursault erinnert sich am Ende in seiner Gefngniszelle an bestimmte Details seines Lebens, seiner Wohnung etc. und erzhlt sie sich in seinem Kopf. Hinter der Erinnerung an einen einzigen Moment verbergen sich smtliche Gedanken des Lebens. Als Geschenk des Augenblicks knnen sie uns also jederzeit berkommen Hans auf seiner Reise und mich vor seinen Bildern. Man kann die Gegenwart nostalgisch und melancholisch betrachten, sein Bewusstsein ganz auf sie einstellen, aber Hans Schabus geht darber weit hinaus. Ohne die Frage der Erinnerung zu negieren, gibt er sich mit der Fahrt ein System vor, durch das Erinnerungen erst mglich und reflektierbar werden. Doch kehren wir auf die Route zurck. Der Knstler verlsst gerade das Budget Inn und durchquert weiter diesen nur scheinbar so unschuldigen fruchtbaren Landstrich, hinter dem sich brutale, verzweifelte und unvorstellbare Geschichten und Vorgeschichten verbergen. Er erreicht Muscatine, Iowa lebendige Nostalgie in Technicolor. Der Staat Iowa ist, wie wir feststellen mssen, riesig. Das Bild auf der Postkarte, einmal mehr unser Leitbild fr das, was Hans Schabus am 18. Juli 2015 erlebt haben mag, atmet die altmodische Aura der Leute in den 50er-Jahren, die bis heute bestimmend ist. (31) Als nchstes kommen Ausschnitte einer Landkarte anstelle einer Postkarte. Sie zeigen den Ausgangs- und Endpunkt der Tagesroute: Sie fhrte von Muscatine nach Princeton. Mit unseren Augen fahren wir die Strecke nach, auf der Hans Kilometer fr Kilometer dahinradelte. (32 34) Batman Returns. Ich zgere nachzuschauen, mit anderen Worten zu googeln. War da nicht ein Film mit diesem Titel? Mittlerweile knnen wir nicht mehr behaupten, dass dieser Comicheld auf dieser Reise zufllig auftaucht, denn jetzt ist klar, dass der Knstler ihn bewusst auswhlt. Wie viele andere ist auch diese Karte selbstgemacht. Schabus hat das Batman-Bild auf eine Hotelbroschre geklebt. Als nchstes ein gelber Tankwagen, in den Vereinigten Staaten semi-trailer, big rig oder eighteen-wheeler genannt. Man muss an den immensen Autoverkehr denken, mit dem der Knstler tagein, tagaus zu tun gehabt haben muss. ber dem Tankwagen klebt das Datum der letzten Woche auf einem Zeitungsfetzchen, das eindeutig noch aus Warsaw in Indiana stammt. Darunter Tageshchst- und Tiefsttemperatur. Man kann sich vorstellen, welche Hitze Hans im amerikanischen Sommer ertragen musste. Schlielich taucht die Zeit, die das ganze Unternehmen strukturiert, auch wirklich auf, und zwar verkrpert als ffentliche Uhr in Defiance, Ohio. Defiance heit Trotz. Schabus ist nun mehr als einen Monat unterwegs. Ob ihm sein Krper nun langsam trotzt? Die nchternen Zahlen auf den Karten sagen nein. An diesem 22. Juli radelte er 137 km, ein Monat vorher 106 km. Jeden Abend ein neues fremdes Bett in einer billigen Unterkunft in einer fremden Stadt in einem fremden Land. Dort dachte er immer nach, machte seine Collagen und leckte seine Wunden. (35) Wieder feiert die amerikanische Identitt frhliche Urstnd mit einem nostalgischen Motiv: Norwalk Then & Now, est. 1817. Die Idee, dass das Damals ewig weiterlebt erinnert ein wenig an Wien bleibt Wien, eine nach einem alten Wienerlied benannte stdtische Imagekampagne der frher 2000er-Jahre. berhaupt erinnern viele Grostdte gerne an ihre romantische Vergangenheit, um die fragwrdige Vergangenheit und die Probleme der Gegenwart zu kaschieren. Ja, die verkitschte Vergangenheit ist sogar das Fundament lokaler Identitt als fliee die Geschichte heute nicht zh dahin oder sei berhaupt zum Stillstand gekommen. Aber die Zeit kommt nicht zum Stillstand, Hans Schabus ist noch immer unterwegs. An diesem Tag fuhr er 162 km. (36) Das Abenteuer neigt sich dem Ende zu. Jetzt ist die Monotonie bereits ein Scherz, man erkennt sie am Ho Hum Motel. Es handelt sich nicht um eine Karte, sondern eine Broschre, wobei die aufgeklebten Marken mich dazu bringen, an die Belagerung von Petersburg im Sezessionskrieg 1864-1865 zu denken. Die bisherige Reise hat indes erwiesen, dass dies nicht ntig ist. (37 38) Die Straffheit der Vorgaben dieses Projekts ist irritierend. Es sind nicht blo Wiederholungen. Derselbe Ablauf wird jeden Tag konsistent in einer immer neuen Gegend umgesetzt. Durch diese Systematik entsteht einmal der Eindruck von Eintnigkeit, dann wieder die Andeutung einer tieferen Bedeutungen, das nchste Mal taucht kurz kulturell Verdrngtes auf oder es passiert, wie hier in Coudersport mit seiner klassischen Tankstelle, so gut wie gar nichts. Auer natrlich, dass das Potato City County Inn einigermaen seltsam klingt. (39 40) Bier, um den Durst des Radlers zu stillen, und das Etikett dann ber ein Foto des Rathauses von Towanda geklebt. Wie immer die Visitenkarte auf der Rckseite der Postkarte. Man fragt sich, wer wohl der ominse Hotelchef Bob Patel wirklich war. Ob er aussieht, wie sein markiger Name suggeriert mittelgro, graumeliertes Krausehaar, dicke Augenbrauen, markantes Kinn, braungebrannt, mit seinem freundlichen groen Kussmund und den krummen Schultern? Oder meine ich damit Bob Sakosky, den Chef des Pioneer Plaza Hotel in Carbondale? Krankt das Raten an denselben Phantasmen wie das Gedchtnis? Die roten Rahmen der Aufkleber auf dieser Karte verraten eine gewisse Langeweile oder Frustration. Schabus ist nun schon sehr lange allein. Trotzdem hat er an diesem Tag 111 km zurckgelegt. Nicht bel. Und whrend die USA immer noch forever whrt, geht seine Reise dem Ende zu. (41 42) Schon beinahe am Ende der Fahrt hat endlich der lang erwartete alte Cowboy seinen Auftritt. Sussex ist vielleicht der letzte Ort auerhalb New Yorks, wo es solche Typen noch geben kann. 95 Kilometer spter ist der Knstler bereits im Big Apple. Aufgeklebt auf das Panorama Manhattans befindet sich ein winziges Zweiglein, das Schabus den ganzen Weg von den Redwood-Bumen bis hierher mitgebracht hat. Nicht viel Neues am Schluss der Reise. ---- Der Mensch neigt wenn auch zu oft und manchmal pathetisch dazu, Bedeutung in Aktivitt, Zahlen und Zahlenreihen zu lesen. Wird diese Zahlenmystik bertrieben, nhert man sich dem Wahnsinn. Vor mehr als zehn Jahren erlag ein guter Freund von mir seiner Crystal-Meth-Sucht. Einige unserer letzten Gesprche drehten sich darum, wie besessen er von der Bedeutung von Zahlen war. So empfing er bedeutsame Botschaften aus dem Kosmos in Form von Nummern und versuchte dann, sie poetisch zu artikulieren. Diese Botschaften prallten heftig auf die Realitt. Dennoch lie ihn jede Zahlenfolge leidenschaftlich schwelgen. Jede Zahl, die sich wiederholte, bedeutete, dass sich sein Schicksal wendete. Jede zufllige Zahl ein Blick in die Zukunft. Und was ist amerikanischer als der Drogentrip auf dem Freeway? Die amerikanische Literatur und noch mehr das amerikanische Kino sind voll davon. Von Jack Kerouac (a.k.a. Sal Paradise) und Neal Cassady (a.k.a. Dean Moriarty) ber Hunter S. Thompson, William S. Burroughs und Gus Van Sant mit Drugstore Cowboy, bis Keanu Reeves und dem verstorbenen River Phoenix in My Own Private Idaho, ja sogar bis Kate Hudson in Almost Famous geht dieses amerikanische Motiv niemals zu Ende. Freilich gibt es einen entscheidenden Unterschied. Irre Roadmovies vermitteln nur einen Aspekt dessen, was Hans Schabus mit seinem Abenteuer demonstriert hat. Whrend sie drastische Aufschreie gegen die Klte und Enge der Gesellschaft sind, hlt sich Schabus mit Bedeutung zurck. Er vermischt seine Gedanken nicht mit den Zahlen und Geschehnissen, die er zumeist als reine Markierungen im Vorberflieen von Zeit und Weg darstellt. Schon bei seinen frheren Werken, aber umso mehr noch bei diesem Projekt hatte ich immer den Eindruck, die umherschweifend experimentelle Kunst von Hans Schabus sei so etwas wie eine Verbindung von Physik und Poesie. Immer schon wollte ich ihm ein Gedicht von Seamus Heaney zeigen. Als wir uns einmal in Wien zum Abendessen trafen, spielte ich ihm ein Video vor, auf dem der irische Poet Digging liest. Dieses Gedicht hat fr mich nicht nur viele Parallelen zur skulpturalen Methode von Hans, sondern auch zu dem, was ich fr seine Praxis halte. Digging Between my finger and my thumb The squat pen rests; snug as a gun. Under my window, a clean rasping sound When the space sinks into gravelly ground: My father, digging. I look down. Till his straining rump among the flowerbedsBends low, comes up twenty years away Stooping in rhythm through potato drills Where he was digging. The coarse boot nestled on the lug, the shaft Against the inside knee was levered firmly. He rooted out tall tops, buried the bright edge deep To scatter new potatoes that we picked Loving their cool hardness in our hands. By God, the old man could handle a spade. Just like his old man. My grandfather cut more turf in a day Than any other man on Toners bog. Once I carried him milk in a bottle Corked sloppily with paper. He straightened up To drink it, then fell to right away Nicking and slicing neatly, heaving sods Over his shoulder, going down and down For the good turf. Digging. The cold smell of potato mould, the squelch and slap Of soggy peat, the curt cuts of an edge Through living roots awaken in my head. But Ive no spade to follow men like them. Between my finger and thumb The squat pen rests. Ill dig with it. Das Gedicht passt nicht ganz genau zur Ausstellung, aber sein Tonfall, der Duktus und, wichtiger noch, die demtige Ehrfurcht vor dem Einfachen und doch Erhabenen wirken fr mich sehr passend. Dazu kommt noch das Gefhl der verflieenden Zeit. Und das gerade dieses Gedicht so oft gedeutet und genau dokumentiert wurde. Doch wenden wir uns vom nordirischen Grasland Heaneys ab und der amerikanischen Weite zu. Folgendes Gedicht schickte mir ein Knstler, der gerade in Kalifornien unterrichtet. Onthe Beach at Night, Alone stammt vom berhmten amerikanischen Poeten Walt Whitman und fgt sich vielleicht besser zur Pionierarbeit, die Hans Schabus mit seiner Kunst leistet: Onthe beach at night alone,As the old mother sways her to and fro, singing her huskysong,As I watch the bright stars shiningI think a thought of the clef of the universes, and of the future.Avast similitudeinterlocks all,All spheres, grown, ungrown, small, large, suns, moons, planets, comets, asteroids, All the substances of the same, and all that is spiritual upon the same,All distances of place, however wide,All distances of timeall inanimate forms,All Soulsall living bodies, though they be ever so different, or in different worlds,All gaseous, watery, vegetable, mineral processesthe fishes, the brutes,All men and womenme also;All nations, colors, barbarisms, civilizations, languages;All identities that have existed, or may exist, on this globe, or any globe;All lives and deathsall of the past, present, future;This vast similitude spans them, and always has spannd, and shall forever span them, and compactly hold them, and enclosethem. Das Gedicht hlt fest, dass man das Universum als groe umfassende Wahrheit begreifen kann. Diese Idee ist ideal fr das Denken ber Schabus Ausstellung. Fr meine Annherung habe ich die Relikte der Fahrt und die Ausstellung im Salzburger Kunstverein, die den Zeitraum von Juni bis Juli 2015 lckenhaft umreit. Die Wandarbeiten, die aufgehngten Fahrradteile, das groe Loch durch die Wand und das ausgebohrte Material sind alles, was uns physisch vor Augen liegt. Die Wandintervention ermglicht buchstblich den Austausch zwischen Materie und Bedeutung zweier Rume (dem Innen und dem Auen des Ausstellungsraums). Leerer Raum beinhaltet schlielich Materie, die wir mit unseren begrenzten Sinnen nur nicht wahrnehmen knnen. Diese Materie bewegt sich zwischen dem Innen und dem Auen hin und her. Jede der Wandarbeiten versammelt bewusst ein paar wenige Spuren des jeweiligen Tages, der Zeit. Die Zeit ist fr immer vergangen. Einzig die feinen Augenblicke, die Schabus auf den Fotos festhielt, ja sogar die, die er mit seiner Handschrift auf den Postkarten dokumentierte, bleiben. Sie existieren, weil diese Augenblicke nicht wiederkommen. Und das ist der Punkt. Jede Arbeit belegt die Passage durch einen vergangenen Abschnitt Zeit und Raums (ob man dies nun traurig findet oder nicht), weil sie Spuren von Handlungen enthlt, in denen sich die Faktizitt der Zeit abbildet. Die Zeit geht vorber wie ein Mensch, der kurz vorbeieilt und sich dann fr immer verabschiedet. Dieses Projekt ist wie eine gut geplante und beschwerliche kosmische Probebohrung durch Raum und Zeit, deren Bohrkern hier klug, przise und demtig vor uns liegt. Geschickt verraten diese Spuren nichts von den Erlebnissen des Knstlers, und gerade deswegen finden wir einen Zugang zu ihnen. Dies erinnert daran, wie Seamus Heaneys Gedicht seinem Leser eine vergangene verlorene Zeit nahelegt. Und es erinnert daran, wie Walt Whitman in seinem Gedicht die kosmologischen Wahrheiten des Universums vermittelt. Und die Ausstellung hnelt Stephen Hawkings Suche nach przisen elementaren Wahrheiten, die einst eine schlssige Theorie des Universums ergeben werden. Auf dem Weg dahin knnen schon ein paar Fehler passieren und ein paar Reifen platzen. PAGE Jedes Leben besteht aus vielen Tagen, immer einem nach dem andern. Wir schreiten durch uns selbst dahin, Rubern begegnend, Geistern, Riesen, alten Mnnern, jungen Mnnern, Weibern, Witwen, warmen Brdern. Doch immer imgrunde uns selbst. James Joyce, Ulysses Man ersieht daraus, da der Mythos kein Objekt, kein Begriff und keine Idee sein kann; er ist eine Weise des Bedeutens, eine Form. Unter Sprache, Diskurs, Rede usw. ist hier also von nun an jede bedeutungshaltige Einheit oder Synthese zu verstehen, sei sie verbaler oder visueller Art. Wir werden eine Photographie mit demselben Recht als Rede betrachten wie einen Zeitungsartikel; die Objekte selbst knnen Rede werden, wenn sie etwas bedeuten. Roland Barthes, Mythen des Alltags Man nennt das den amerikanischen Traum. Man muss im Schlaf sein, um ihn zu glauben. George Carlin, Life is Worth Losing Ich hatte einen Fehler gemacht. Mein Modell des Universums war zu stark vereinfacht. Die Zeit wird nicht ihre Richtung ndern, wenn sich das Universum zu schrumpfen beginnt. Vgl. A Brief History of Time, ein Film von Errol Morris, 1991. Roland Barthes, Mythen des Alltags. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2010. http://from-tall-trees-to-tall-houses.blogspot.co.at/ Sogar der Name Kanada kommt von den Irokesen, deren Wort kanata Dorf bedeutet. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie fremd dem franzsischen Pionier Jacques Cartier dieses Wort vorgekommen sein muss, als er es hrte (und dann trotzdem bernahm). Seamus Heaney, Vom Graben (engl. Digging). Aus: Ausgewhlte Gedichte: 1965-1975. Deutsch von Henriette Beese. Stuttgart: Klett-Cotta, 1995. Vom Graben Zwischen Finger und Daumen Halte ich die stmmige Feder, sturmklar wie ein Gewehr. Wenns unter meinem Fenster sauber und raspelnd klingt, Als ob ein Spaten in kieseligen Boden dringt, Ist es mein Vater, der grbt. Ich schaue hin Bis sein wehes Kreuz zwischen den Blumenbeeten Tief sich neigt und zwanzig Jahre entfernt wieder auftaucht, Rhythmisch sich bckend zwischen Kartoffelfurchen, Wo er damals grub. Der klobige Stiefel schmiegte sich an den Spatenschaft, Den nutzte die Innenseite des Knies als sicheren Hebel, Er entwurzelte hohes Kraut, vergrub die Schneide tief Um neue Kartoffeln zu verstreuen, wir lasen sie auf Und liebten ihre khle Hrte in den Hnde. Herrje, der Alte konnte mit dem Spaten umgehn. Genau wie sein Alter. Mein Grovater stach mehr Torf an einem Tag Als irgendein andrer im Toner-Moor. Einmal brachte ich ihm eine Flasche Milch. Liederlich mit Papier verkorkt. Er richtete sich auf Und trank sie, um dann sofort wieder dreinzuhaun, Aus der Grasnarbe Stcke zu kerben, zu schneiden und ber die Schulter Zu hieven, wieder und wieder sich bckend Nach dem guten Torf. So grub er. Der kalte Duft von Kartoffelhumus, das Glucksen und Klatschen Von sumpfigem Torf, ein Spatenblatt mit seinen kurzen Schlgen Durch lebendige Wurzeln, das mag in meinem Kopf erwachen, Doch um ein Mann zu werden, wie sie waren, hab ich keinen Spaten. Zwischen Finger und Daumen Halte ich die stmmige Feder. Damit werde ich graben. Aus: Grasbltter. Deutsch von Jrgen Brcan. Mnchen: Hanser, 2009. Am Strand bei Nacht allein, Da die alte Mutter hin und her wiegt und ihr rauhes Lied singt, Da ich die hell scheinenden Sterne betrachte, denke ich an den Schlssel zu den Universen und der Zukunft. Ungeheure hnlichkeit verknpft alles, Alle Sphren, entstanden, unentstanden, klein, gro, Sonnen, Monde, Planeten, Alle Entfernungen des Raums, wie weit sie auch sein mgen, Alle Entfernungen der Zeit, alle unbeseelten Formen, Alle Seelen, alle lebendigen Krper, auch wenn sie verschieden oder in verschiedenen Welten sind, Alle gasfrmigen, flssigen, pflanzlichen, mineralischen Prozesse, die Fische, die wilden Tiere, Alle Mnner und Frauen auch mich, Alle Nationen, Farben, Barbareien, Zivilisationen, Sprachen, Alle Identitten, die existiert haben oder existieren knnten auf diesem Rund oder auf jedem Rund, Alle Leben und alle Tode, alle einstigen, jetzigen, knftigen, Eine groe hnlichkeit umspannt sie, hat sie schon immer umspannt, ; < E F G R S T ̶fE$ @h. hPDZ 6CJ OJ PJ QJ ^J aJ fH mH q sH @h. h. 6CJ OJ PJ QJ ^J aJ fH mH q sH :h 6CJ OJ PJ QJ ^J aJ fH mH q sH 1h. h. B*CJ OJ QJ ^J aJ mHph sH1h. h. B*CJ OJ QJ ^J aJ mH ph sH +h. B*CJ OJ QJ ^J aJ mH ph sH 1h. h. B*CJ OJ QJ ^J aJ mH ph sH 4h, h. 5B*CJ OJ QJ ^J aJ mH ph sH ; < R S T ' ( & ' ( q r 7d ^7`gd. 7d ^7gd. 7d 1$ 7$ 8$ H$ ^7gd. d gd. % & * $ % ( j o ȧȧȧȧȧȧiT?T?T (h. h[> CJ OJ QJ ^J aJ mHsH (h. hxv` CJ OJ QJ ^J aJ mHsH ,h. hPDZ CJ OJ PJ QJ ^J aJ mH sH Mj h. hPDZ 0J 6CJ OJ PJ QJ U^J aJ fH mH q sH @h. hPDZ 6CJ OJ PJ QJ ^J aJ fH mH q sH =h. hPDZ CJ OJ PJ QJ ^J aJ fH mH q sH 0h. hPDZ CJ OJ QJ ^J aJ mH nHsH tH d e { # f w } ֬֬֬֬֬֬֬֗֗֗֗|gR(h. h6W CJ OJ QJ ^J aJ mHsH (h. h)D CJ OJ QJ ^J aJ mHsH 5j h. h