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2015
 
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Termine 2015

18.03.2015
Veranstaltungen

Thematische Vorträge zu Invisible Violence

Mi, 18. März 2015, 19-21 Uhr
(in englischer Sprache)

Étienne Balibar
Der andere Schauplatz von Geschichte: Extreme Gewalt und die Zerstörung des Politischen

Wie soll man die weltweit heraufziehende Krise des Politischen mit ihrer Umverteilung von alten und neuen Formen extremer Gewalt artikulieren? Als Versuch der Beantwortung dieser Frage haben wir ein philosophisches Prinzip, das fragwürdig ist, aber als Arbeitshypothese akzeptabel: Politik existiert niemals ohne Gewalt, aber Gewalt kann politisch oder unpolitisch sein, kann sich institutionalisieren oder nicht. Die Erhaltung von Politik muss weder eine Negierung von noch einen Schutz vor extremer Gewalt darstellen. Sie muss die Unterschiede ansprechen und Gegenmittel suchen, die eine Neuerfindung der Politik inmitten der Gefahr bedeuten. Dies nenne ich Zivilität. Endlich haben wir vorläufige Kriterien, um Gewalt von extremer Gewalt (oder Grausamkeit) zu unterscheiden, um die reversiblen oder irreversiblen Übergänge und ihre Überdeterminierung zu verstehen. Der Vortrag stellte Elemente dieses Puzzles zusammen und illustrierte sie mit zeitgenössischen Beispielen.

Étienne Balibar (FR), Philosoph und Professor für Französisch, Italienisch und Komparatistik an der Universität von California, Irvine

Keti Chukhrov
Dialektik der Kultur und Gewalt

Der universelle Kulturbegriff ist traditionell als Teil einer imperialistischen Expansion gesehen worden, nicht weniger gewaltsam als territoriale Eroberungen oder geopolitisch motivierte Unterdrückung. Seit Freuds Unbehagen in der Kultur, der Kritik der Frankfurter Schule an der Kultur als Industrie und der Ablehnung der Sprache als Autoritätsquelle durch den Poststrukturalismus wird er abgelehnt oder in postkolonialen und entkolonialisierten Studien als Gewaltausübung über das Leben und seine Heterogenität verworfen. Das Problem tritt auf, wenn wir entscheiden müssen, ob das, was generell für emanzipatorisch gehalten wird, solche Generalität nur für einen bestimmten Ort entfaltet – also geographisch lokal ist, aber im Namen universeller Werte Expansion betreibt – oder ob die Emanzipation als Praxis schon definitionsgemäß Gewalt impliziert. Andererseits werden gewisse, explizit gewaltsame lokale Traditionen oft gegen ihre Integration in die universellen Grundsätze von Gleichheit und Emanzipation verteidigt, bis zu dem Punkt, an dem hier ein Klassenbewusstsein völlig ersetzt wird durch den Kampf gegen Rassenunterdrückung. In dem Fall wird die nationale Kultur ein Heilmittel gegen die imperialistische Expansion der „universellen“ Kultur. Mit demselben Argument könnte der mit Gewalt errichtete Nationalstaat Fälle von Apartheid oder künstlich oder gewaltsam erschaffener kultureller Identität rechtfertigen. Diese Überschneidung der Gewalt der universellen Werte mit der Gewalt der Identitätsproduktion ist Gegenstand einer Vielzahl von Werken gewesen, von Said und Fanon bis zu Chakrabarty und Mignolo. Wie aber, wenn kultureller Universalismus nichts mit der Entwicklung der Zivilisation oder mit geopolitischer Expansion zu tun hat, wenn es genau die Abschaffung des kulturellen Universalismus ist, die die subalternen Regionen konstruiert, sowie die Gegenseitigkeit der Gewalt zwischen dem „Zentrum“ und der „Peripherie“?

Keti Chukhrov (RU), Kunsttheoretikerin, Philosophin und Professorin für Kunsttheorie und Kulturologie an der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität, Moskau

Suzana Milevska
Der Mangel und seine „Ergänzung“: Sichtbare und unsichtbare Gewalt in Denkmälern

Das Ziel dieses Vortrages war es, die dringende Notwendigkeit der Dekonstruktion sichtbarer und unsichtbarer Gewalt, die in symbolischen, imaginären oder „echten“ Kontexten produziert wird, anzusprechen; im Hinblick auf Mahnmäler, Denkmäler und andere Skulpturen im öffentlichen Raum, vor allem solche, die gewisse traumatische Erlebnisse der Vergangenheit repräsentieren. Zeitgenössische soziopolitische und kulturelle Strukturen und Strategien, die darauf abzielen, verschiedene Geschichten neu zu schreiben, führen oft zur Verlegung oder gar Zerstörung der Monumente voriger Epochen. Parallel dazu konstruiert und verstärkt das sichtbare Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Figuren im öffentlichen Raum eine visuelle Kultur und einen öffentlichen Raum, der von Männlichkeit, Aggression, Gewalt und militanten Tropen beherrscht wird. Ich befasste mich im Einzelnen mit der Fallstudie über kürzlich erschaffene, monumentale öffentlichen Skulpturen, die im Kontext des Stadtplanungsprojekts „Skopje 2014“ (Hauptstadt von Mazedonien) von der Regierung errichtet wurden, als Versuch, die unvollständige, fehlerhafte nationale Identität zu kompensieren, die selbst als „illegitim“ betrachtet wird (wenn man den „Namensstreit“ berücksichtigt).

Suzana Milevska (MK/AT), Kunst- und visuelle Kulturtheoretikerin und Stiftungsprofessur für Zentral- und Südosteuropäische Kunstgeschichte an der Akademie der bildenden Künste, Wien

Kader Attia, Repair Analysis, 2013, Spiegel und Kupferdraht

Kader Attia, Repair Analysis, 2013, Spiegel und Kupferdraht
Foto: Andrew Phelps, courtsey of the artist