11
2009
 
Newsletter Suche Facebook Vimeo Twitter YouTube Instagram English

Termine 2009

30.11.2009
Veranstaltungen

Talking Dirty. Über Schmutz und Abfall in Kunst, Architektur und Design
Eine Vortragsreihe von Anselm Wagner

„Hygiene wird bei mir klein geschrieben“, meint die Ich-Erzählerin in Charlotte Roches Bestseller Feuchtgebiete. Und widmet sich ausgiebig ihrer Lieblingsbeschäftigung: der Verbreitung von Bakterien.
Der letztjährige Skandalroman schwimmt auf einer Welle, in der Schmutz und Trash en vogue geworden sind und mittlerweile auch in Mode und Design Eingang gefunden haben, wo makellose Reinheit bis vor kurzem als oberstes Gebot galt. Dabei handelt es sich um die Diffusion einer ehemals avantgardistischen Strategie in den Mainstream, die mit der Abfallkunst von Dada begann und in der Körperkunst der 1960er- und im Punk der 1970er-Jahre ihre ersten Höhepunkte fand.
Es ging und geht hier um mehr als bloße Provokation bürgerlicher Moral- und Geschmacksnormen: nämlich, der Reinheit der Moderne den Kompost der Postmoderne entgegenzusetzen, wie das Roger Fayet genannt hat. Das heißt aber noch lange nicht, dass der gegenwärtige ökologische Recycling-Mainstream nun jeden Müll schätzen würde. Ganz im Gegenteil: Je mehr die Öffnungen und Schleusen der Gesellschaft dicht gemacht werden, die, wie Mary Douglas gezeigt hat, immer den Blick auf den individuellen Körper widerspiegeln, umso mehr sozialer „Abfall“ wird ausgestoßen. Zygmunt Bauman hat in Wasted Lives beschrieben, wie die ökonomischen und politischen Systeme der Gegenwart Unmengen von menschlichem „Müll“ produzieren: Arbeitslose, Obdachlose, Staatenlose, Asylsuchende – Menschen, die keiner braucht und niemand will und die irgendwo „deponiert“ werden. Die Vortragsreihe versucht nachzuzeichnen, wie das Verworfene und Verdrängte in die zeitgenössische Kunst und Architektur gekommen sind und was sie dort bedeuten könnten: eine Wanderung entlang der Schmutzränder unserer Kultur.

Morning Cleaning oder: Duschen mit Mies
Montag, 9. November 2009, 19 Uhr

Jeff Walls Fotografie Morning Cleaning bildet den Ausgangspunkt einer postmodernen „schmutzigen“ Kritik an der Moderne, die dem hygienischen Furor zu einem ästhetischen Überbau verhalf. Dass nur ein radikales Großreinemachen eine neue Welt hervorbringen könnte, darin waren sich Otto Wagner und Le Corbusier, aber auch Lenin und Hitler einig. Freilich funktionierte der reine Formalismus der Moderne nur so lange, als er seine Abfälle verbergen konnte.

Dirty Realism
Montag, 23. November 2009, 19 Uhr

Was passiert, wenn man Abfälle so recycelt, dass man ihnen ihre Herkunft noch ansieht? Der „schmutzige Realismus“, der die Architektur und das Design in diesem Jahrzehnt erfasst hat, stellt die Idee von der „sauberen Lösung“ auf den Kopf. Über Freitag-Taschen, Dirty Denim und Urban Outfitters, die „Grunge“-Ästhetik des frühen Frank Gehry und Lacaton & Vassal, Gritty Brit und David Adjayes Dirty House, Osteuropa-Chic und Turbofolk.

Abject Art und kynischer Materialismus
Montag, 30. November 2009, 19 Uhr

Mit Hilfe von George Bataille „l’informe“, Julia Kristevas „abjection“ und den hündischen Performances der antiken Kyniker wird ein Streifzug durch die Gassen, Gossen und Kanäle der aktionistischen und feministischen Körper- und Müllkunst von den 1960ern bis heute unternommen. Von Piero Manzonis in Dosen abgefüllter Merde d’artiste bis Monika Sosnowskas A Dirty Fountain, aus dem dreckige Brühe sprudelt.

Vortragender: Dr. Anselm Wagner ist Kunsthistoriker und Kunstkritiker, lehrte u.a. als Gastprofessor an der TU Wien, der TU Graz und der University of Minnesota, und ist Herausgeber von Abfallmoderne. Zu den Schmutzrändern der Kultur, Wien 2009.

Der Eintritt ist frei.