12/2019
–01/2020
 
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Termine 2019

14.12.2019–26.01.2020

Petition

Eröffnung: Fr, 13. Dezember 2019, 20 Uhr

Wir leben in einer Welt, in der Natur als Idee konstruiert und in der Realität bedroht ist. Die Betrachtung von Kunst – so scheint es heute – ist davon bestimmt, was unsere soziale, politische und ökologische Gegenwart prägt. Am deutlichsten zeigt sich das in künstlerischen Praktiken, die von dem Wunsch nach Veränderung gekennzeichnet sind. So unterschiedlich wie eine Petition – die als flehende Bittschrift, wutentbrannte Beschwerde, oder bloße Feststellung der Sachlage ausfallen kann – artikulieren sich die Anliegen von Kunstschaffenden als Protest, Dokumentation, Kontemplation oder gar magisches Ritual.

Petition soll künstlerisches Handeln als Schnittstelle zur Welt untersuchen. Von Paul Spendier wird Letztere als etwas Prothetisches thematisiert. Seine robotische Apparatur „Untitled“ (2019) verbindet Technisches mit Organischem, um etwas zu erzeugen, was für alle vertraut klingt: Das Rauschen von Blättern. Ein vermeintlich authentischer Eindruck, der sich als synthetisierte Naturerfahrung offenbart.

Niederschlag und Kälte ergeben Schnee: Auch der weiße Rohstoff wird künstlich hergestellt, mit erheblichen Folgen für die alpinen Ökosysteme. Er gilt als die rare Ressource in den zeitgenössischen Freizeitkollektoren der Bergwelt, mit der sich Catherine Ludwig seit einigen Jahren beschäftigt. „Snow Farming“ (2018) artikuliert die Skepsis der Künstlerin mit einer eindringlich ästhetischen Wandarbeit.

Wie ein Nachbild hinter geschlossenen Augenlidern wirken die Darstellungen von Daniela Zeilinger, die einen gedanklichen Berg nachzeichnen, der idealtypisch für eine Hundertschaft möglicher Berge stehen könnte. Ihre Serie von direkt belichteten Papiernegativen „Alp #1–11“ (2019) zeigen die Rückseiten der Papiere, auf denen die Künstlerin ihre Erinnerung an einen Berg viele Male – wie nach einem Mantra – festhält.

Borjana Ventzislavovas Seilspringer in ihrem Video „Wahkohtowin“ (2018) scheinen in ein intimes Spannungsverhältnis mit der Natur verstrickt. Die Künstlerin, die in ihrer Arbeit wiederholt auf reale gesellschaftliche Verwerfungen anspielt, entwickelt ein magisches Vokabular zur Austreibung von Korruption, Gewalt und Dummheit. Verzweiflung oder dunkler Humor mögen die Triebfedern ihrer Rituale sein. Die Natur – als etwas, was alles überragt und alle betrifft – ist ihr erster und letzter politischer Adressat.

Schon nach den ersten paar Absätzen scheint eine rätselhafte Kraft auf die Geometrie der behelfsmäßig wirkenden Treppe von Matthias Krinzinger einzuwirken, die der Künstler auf der Rasenfläche vor dem Salzburger Kunstvereins aufstellt. Nach einem kurzen Aufstieg erweist sich „Stairway to Heaven“ (2013/19) als Schlitterpartie, eine ungebremste Talfahrt.

Wie eine dystopische Archäologin verfährt Luiza Margan, wenn sie Teile einer zersplitterten Lichtkugel aufsammelt, um diese neu zu arrangieren. Die Scherben stammen von einem Dachfenster eines modernistischen Shoppingzentrums aus der Zeit Jugoslawiens in Split, das aus ideologischen Gründen dem Verfall preisgegeben ist. „Split Dioptre“ (2016/19), eine ausladende Skulptur im großen Saal des Salzburger Kunstvereins, ist wie eine poetische Linse, die unsere schizophrene Gegenwart – zwischen Vergangenheitsverleugnung und neoliberaler Euphorie – ins Auge fasst.

Indem sie eine andere als die sich aktuell abzeichnende Zukunft in den Raum stellt, will Gabriele Sturm zum Handeln inspirieren. Der Titel der Ausstellung „Petition“ verweist auf eine gleichlautende Arbeit der Künstlerin (2019), der eine reale Unterschriftenaktion zum Erhalt eines innerstädtischen Freiraums vorausging. Sturm, die zudem mit einer für die Ausstellung entwickelten Intervention im Innen- und Außenraum vertreten ist, vermittelt häufig zwischen Nahem und Fernem. So zeigt die Künstlerin Zusammenhänge in einer Globalität auf, in der nichts von dem, was wir tun, folgenlos bleibt.

Mut zu gesellschaftlicher Veränderung formt sich bevorzugt dort, wo die Natur direkt angegriffen wird. Johannes Gierlinger nimmt 2013 an den Protesten rund um den Istanbuler Gezi Park teil, nachdem dieser – als eine der letzten verbliebenen Grünflächen der Großstadt – einem Einkaufszentrum weichen soll. Für Gierlinger ist es der zweite Besuch: Er zeigt seine 2009 an ebendiesem Ort in Form von Fotos und Videos entstandenen Aufzeichnungen in neuer Überarbeitung.

In Anlehnung an das Malerei-Genre im 17. und 18. Jahrhundert nennt Maria Morschitzky ihre ortspezifische, für den Salzburger Kunstverein neu entwickelte Arbeit Conversation Piece. Jedoch werden darin keine Gefälligkeiten ausgetauscht, sondern zwei opponierende Wahrnehmungen verhandelt, die sich ein Tauziehen liefern. It’s alright! It’s a fight!

Kurator: Philippe Batka

Künstler_innen im Großen Saal:
Johannes Gierlinger, Catherine Ludwig, Luiza Margan, Maria Morschitzky, Paul Spendier, Gabriele Sturm, Borjana Ventzislavova, Daniela Zeilinger

Im Außenraum:
Matthias Krinzinger, Gabriele Sturm

Wie 2018 ist auch die heurige Jahresausstellung wieder eine Verkaufsausstellung.

Philippe Batka (*1982 in Salzburg) studierte u. a. an der Akademie der bildenden Künste Wien und realisierte als Künstler, Kurator und Kulturmanager zahlreiche Ausstellungen aktueller Kunst. Seit 2012 zeichnet er für die Entwicklung und Neupositionierung mehrerer Kunstsammlungen der Vienna Insurance Group verantwortlich.

Mit freundlicher Unterstützung von Almamet, Hypo Salzburg, Pur:isst und Quartier Rauchmühle.

Links: Luiza Margan, Split Dioptre, 2016, courtesy of the artist. An der Wand: Gabriele Sturm, Petition, 2019, courtesy of the artist. Ausstellungsansicht „Petition“, Salzburger Kunstverein 2019.

Links: Luiza Margan, Split Dioptre, 2016, courtesy of the artist. An der Wand: Gabriele Sturm, Petition, 2019, courtesy of the artist. Ausstellungsansicht „Petition“, Salzburger Kunstverein 2019.
Foto: Andrew Phelps, © Salzburger Kunstverein

Johannes Gierlinger, Filmausschnitt Gezi Park Istanbul aus dem Film The Fortune You Seek Is in Another Cookie, 2014, 11 min, Filmstill000000000000

Petition Broschüre mit Preisen (pdf, 9.6 mb)